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QR-Codes auf Grabsteinen : Bis in digitale Ewigkeit

Grabsteine mit Botschaft: Andreas Rosenkranz in seiner Werkstatt

Grabsteine mit Botschaft: Andreas Rosenkranz in seiner Werkstatt Bild: Schoepal, Edgar

Ein Kölner Steinmetz meißelt QR-Codes in Grabsteine. Sie überführen Verstorbene in die Ewigkeit des Internets – und bieten Besuchern Informationen zum Bestatteten.

          2 Min.

          In der Steinmetzwerkstatt von Andreas Rosenkranz liegen Vergangenheit und Zukunft sieben Schritte auseinander. Eine Handvoll Holzkreuze lehnen an einer Wand und stellen die Vergangenheit dar. Rosenkranz hat sie von Friedhöfen mitgenommen, auf denen er in den vergangenen Jahren Grabmale errichtet hat. Die Zukunft, so wie sie sich der 48 Jahre alte Kölner Bildhauer- und Steinmetzmeister vorstellt, repräsentiert dagegen eine schmale graue Steinstele. Darauf findet sich ein Kreuz, dessen Zentrum ein zehn Zentimeter messendes Quadrat bildet. Darunter steht: „Das Ende des Lebens ist der Beginn der Ewigkeit.“

          Martin Gropp
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Wenn es nach Rosenkranz geht, klingt diese Ewigkeit künftig auch im Internet nach. Denn das Quadrat auf dem Grabstein ist ein „Quick-Response-Code“, den Friedhofsbesucher über spezielle Anwendungen mit Smartphone oder Tabletcomputer auslesen können, um sich so mit dem Internet zu verbinden. Bislang setzen Unternehmen diese Codes auf Werbeplakaten ein, um Betrachter auf die eigene Internetseite zu locken. Die schwarzweißen Vierecke finden sich aber auch auf Online-Fahrkarten der Deutschen Bahn oder an Haltestellen des Rhein-Main-Verkehrsverbunds, wo sie den Fahrplan verraten.

          „Grabstein 2.0“

          Wer sein Mobilgerät auf Rosenkranz’ Grabstein-Codes richtet, erhält weitere Informationen zum Verstorbenen. Entweder erscheint ein bis zu 160 Zeichen langer Text - so viele Informationen trägt der Code. Oder er führt auf einen Wikipedia-Eintrag oder eine eigens eingerichtete Trauerseite für den Verstorbenen. Rosenkranz hat auch einen Code im Programm, der direkt auf das Webangebot der Deutschen Bibelgesellschaft umleitet, wo das wochenaktuelle Evangelium erklingt.

          „Grabstein 2.0“ hat der wortgewandte rheinländische Steinmetz die Stele mit dem Code getauft. „Es ist ein Zusatzangebot, mit dem sinnvolle Informationen mit Gräbern verbunden werden können“, sagt er. Der Platz eines herkömmlichen Grabsteins sei begrenzt, auch weil immer mehr Menschen eine Urnenbestattung vorziehen, die wiederum kleinere Grabsteine mit sich bringt. „Name, Geburts- und Sterbedaten, viel mehr passt nicht drauf“, sagt Rosenkranz. Der Code sei dagegen eine schlichte Möglichkeit, mehr Inhalte zu liefern. Rund 300 Euro kostet es zusätzlich, wenn er die sprechenden Quadrate per Sandstrahl einfräst.

          Erste Anfragen

          Die kräftigen und schrundigen Finger lassen erkennen, dass Rosenkranz sein Geld damit verdient, schwere Natursteine zu Skulpturen, Arbeitsplatten oder Grabmalen zu machen. Und trotzdem spricht er auch wie ein Internetunternehmer, redet von Domain-Adressen, URL-Verkürzung oder PHP-Programmierung. Er ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass sein Angebot die Geister spaltet. „Die Spontanen lehnen es sofort ab, die Überlegenden machen sich Gedanken, und die Begeisterten finden es gut.“

          Bislang hat Rosenkranz einen Grabstein 2.0 errichtet. Er steht auf einem Friedhof in Bergisch Gladbach. Seitdem habe es mehrere Anfragen gegeben. In seiner Heimatstadt wird der Steinmetz die Steine dagegen erst einmal nicht aufstellen. Das zuständige Grünflächenamt verweist auf Anfrage auf die Friedhofsordnung, die Werbung auf Gräbern untersage. Da nicht sichergestellt werden könne, dass die Codes nicht auf Werbeseiten verweisen, habe er schon Anträge auf Code-Grabsteine abgelehnt, sagt der stellvertretende Amtsleiter Reinhard Muck. Allerdings werde sich der Stadtrat mit der Frage noch dieses Jahr befassen. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“

          Für den Steinmetzen ist klar, dass sich die Frage nach der Totenruhe von allein beantwortet. „Ich denke, dass die Internetinhalte dem Rahmen entsprechen sollten“, sagt Rosenkranz. „Aber Friedhöfe sind heutzutage eben nicht mehr der einzige Ort, an dem getrauert wird.“ In der Tat existieren inzwischen im Internet zahlreiche Trauerportale, und auch auf Facebook-Seiten von Verstorbenen wird noch lange nach deren Tod an sie gedacht. Die Codes könnten dabei Unterstützung leisten, sagt Rosenkranz. „Und es ist eben ein freiwilliges Angebot. Man kann auf dem Friedhof einen Code mit einem Smartphone einlesen, man muss es aber nicht tun.“ In einem Punkt ist er sich ohnehin sicher: „Wer seine ewige Ruhe haben will, bleibt sowieso offline.“

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