Grenze zum Erwachsenwerden : „25, das ist Transitzone“
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Schwieriger Trennungsprozess für die Eltern: Wenn die Kinder flügge werden. Bild: plainpicture/hasengold
Die Jahre zwischen Abitur und Familie sind eine eigentümliche Zeit: Noch nicht ganz erwachsen, müssen schon gewichtige Entscheidungen getroffen werden. Psychologe Claus Koch spricht über eine Zeit voller Sinnsuche – und die besondere Rolle der Eltern.
Sie behaupten in Ihrem Buch „Pubertät war erst der Vorwaschgang“, die Jahre zwischen 18 und 30 seien die womöglich härtesten im ganzen Leben. Warum das denn?
Vorher gibt es Leitplanken: die Eltern auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Schule, die einen geregelten Tagesablauf mit sich bringt und das Leben strukturiert. Man ist nicht einsam, denn man hat Schulkameraden und Freunde vor Ort, und da das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in den letzten Jahrzehnten viel harmonischer und für die meisten Jugendlichen fast partnerschaftlich geworden ist, kann man auch mit den Eltern nach Lösungen suchen, wenn es Probleme gibt. Im Prozess des Erwachsenwerdens ist das anders. Plötzlich muss man selbst Entscheidungen treffen, die vielleicht lebenslang Spuren hinterlassen - und das weitgehend ohne Hilfe von außen. Man ist auf sich zurückgeworfen. Man muss sein Leben neu ordnen und ihm eine Perspektive geben. Auch die Sinnfrage stellt sich.
Normalerweise wird die Zeit der verlängerten Adoleszenz doch eher verklärt als eine Phase besonderer Kraft, Freiheit und Intensität.
Das ist, jedenfalls in gewisser Hinsicht, ein Fake, für den es wirtschaftliche Gründe gibt. 18- bis 30-Jährige sind eine begehrte Zielgruppe. Habt Spaß! Nehmt Euch, was Ihr wollt! Konsumiert! Hinter dieser Idealisierung stecken handfeste Interessen. Auf der anderen Seite bestreite ich aber gar nicht, dass es zwischen 18 und 30 auch unendlich schöne Momente und Erlebnisse gibt: dieses Herumziehen mit Freunden, Partnerschaften, die Lust, Neues zu entdecken. Aber, und das ist die Kehrseite, es gibt keine Zeit, in der man dabei so viel mit sich beschäftigt ist und der Frage: Wohin will ich?
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ist doch schon Thema der Pubertät. Was ist jetzt anders?
In der Pubertät leben Jugendliche immer im Augenblick. Sie entdecken Interessen, die sie morgen wieder verlieren, heute malen sie, morgen machen sie Musik und danach gleich wieder etwas anderes. Die Entdeckung der Sexualität, die Entdeckung des anderen Geschlechts, da ist man schon sehr bei sich. Im Alter von 19, 20, vielleicht 21 Jahren schiebt sich allmählich ein Filter dazwischen. Die jungen Leute fangen an, sich zu fragen, ob das, was sie tun, wirklich zu ihnen passt. Ihre Neugier muss sich nun in ein Raster einfügen, ganz gleich, ob es um Beziehungserfahrungen oder die Berufsausbildung geht: Was will ich? Wo ist mein Ziel?
Also: Mit 15 bin ich einfach verliebt. Mit 25 muss ich klären: Ist das der Mensch, mit dem ich leben will?
Es gibt einen guten Spruch: Wenn man 18 Jahre alt ist und ein Esel, ist man 18. Wenn man 30 Jahre ist und ein Esel, ist man ein Esel.
Vor welchen Anforderungen stehen junge Erwachsene heute?
Der Druck ist enorm. Die Generation Praktikum macht Volontariate oder bekommt befristete Verträge, die Lebensplanung ist unsicher geworden. Auf der anderen Seite drängt die Gesellschaft zur Eile: Die Verkürzung der Schulzeit, die Bologna-Reform waren alles Versuche, junge Erwachsene früher in Brot und Arbeit zu bringen. Spätestens mit Mitte 20 muss man sich auch aus finanziellen Gründen überlegen, wie es weitergeht. Konsumieren kostet Geld. Und ich habe viele Gespräche mit Jugendlichen und jungen Männern und Frauen geführt, die gesagt haben: Wenn ich eine Klasse wiederhole, geht die Welt nicht unter. Wenn ich aber nach vier, fünf Semestern ein Studium abbreche, hat das eine andere Relevanz.
Was empfehlen Sie Eltern in so einer Situation?