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Kritik an Ferndiagnosen : Darf man Trump als psychisch krank bezeichnen?

Verstörender Auftritt: Donald Trump bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Bild: dpa

Unter Medizinern ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Während Dutzende in einem offenen Brief die psychische Gesundheit von Donald Trump in Frage stellen, warnen andere vor der Diskriminierung Kranker.

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          „Absolut verrückt“, „wild“, „verstörend“: Nach der jüngsten Pressekonferenz von Donald Trump am Donnerstagabend waren die Kommentatoren fassungslos. Mit politischen Analysen war dieser Auftritt nicht mehr zu erfassen, also riefen Journalisten nach medizinischem Beistand: „Einen Arzt, bitte!“, hieß es auf „Spiegel Online“, die „New York Times“ fragte: „Ist es Zeit, ihn für psychisch krank zu erklären?“

          Sebastian Eder
          Redakteur im Ressort „Gesellschaft & Stil“.

          Das passte sehr gut zu einem Streit, der nicht nur in Amerika seit Wochen unter Psychiatern und Psychologen tobt: Ist Trump unzurechnungsfähig, weil er psychisch krank ist? Muss er deswegen womöglich sogar des Amtes enthoben werden? Er sollte sich zumindest untersuchen lassen, forderte Ted W. Lieu, der für die Demokraten im Repräsentantenhaus sitzt - und insofern vor allem politisches Interesse daran hat, Trump zu schaden.

          Viele Ärzte reagierten deswegen auch mit Befremden auf diesen Vorstoß und warnten vor einer Stigmatisierung psychisch Kranker. Depressive, Angstpatienten oder Neurotiker sind schließlich meist völlig harmlose, aber eben sehr kranke Menschen. „Hört auf Donald Trump als psychisch krank zu bezeichnen - damit richtet ihr unglaublichen Schaden an“, schrieb Amelia Mustapha, Gründungsmitglied der „European Depression Association“, in einem Gastbeitrag für die „Huffington Post“. „Diejenigen von uns, die an vorderster Front mit psychisch Kranken zusammenarbeiten, müssen sich wieder einmal mit ihren Patienten zusammensetzen, um ihnen zu erklären, dass es nicht ihre Krankheit ist, die die Welt aufschreien lässt.“

          Auch der amerikanische „Psychiater-Papst“ Allen Frances kritisierte jüngst in einem offenen Brief an die „New York Times: „Es fördert die Stigmatisierung und es ist beleidigend für psychisch Kranke (von denen sich die meisten Patienten gut benehmen und die nichts Böses im Schilde führen), in einen Topf mit Donald Trump geschmissen zu werden (bei dem das ganz anders ist).“ Frances reagierte damit auf einen offenen Brief von 35 teils hoch angesehenen Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern. Darin hieß es, dass die Verfasser Zweifel an der mentalen Gesundheit von Donald Trump und damit auch an seiner Eignung für das Amt hätten. „Es steht zu viel auf dem Spiel, um länger zu schweigen.“

          Sie setzten sich damit ganz bewusst über Regel 7.3 des Ethik-Handbuches der Amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie (APA) hinweg, in der es heißt, dass Ferndiagnosen ohne das Einverständnis von und eingehende Gespräche mit der zu diagnostizierenden Person unethisch und unseriös sind. Die Regel gibt es als Reaktion darauf, dass in den sechziger Jahren mehr als 1000 Ärzte in der Umfrage einer Zeitschrift ihre Zweifel an der psychischen Eignung eines republikanischen Präsidentschaftskandidaten für das Amt anmeldeten. Die unseriöse Zeitschrift wurde später zur Zahlung einer hohen Geldstrafe an den Republikaner verurteilt, der die Wahl verloren hatte.

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          „Es schadet Menschen, die Hilfe brauchen“

          Frances hält die Ethik-Regel nach wie vor für wichtig, und er ist nicht irgendein Arzt. Er hatte den Vorsitz der Arbeitsgruppe inne, die in den neunziger Jahren den als „Bibel der Seelenheilkunde“ bezeichneten Katalog für psychiatrische Störungen (DSM) der größten Psychiater-Vereinigung Amerikas geschrieben hat. Und er sagt: „Die meisten Amateurdiagnostiker wollen bei Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstörung erkannt haben. Ich habe die Kriterien geschrieben, die für so eine Diagnose zutreffen müssen, und: Herr Trump erfüllt sie nicht.“

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