Kampf gegen Übergewicht : Lebensretter in schweren Zeiten
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Sichtbarer Unterschied: Der junge Markus in einer seiner alten Jogginghosen, nachdem er 100 Kilo abgenommen hat. Bild: Privat
Markus ist fettsüchtig, sein gesamtes Leben schon. Mit Anfang zwanzig kann er sich kaum noch bewegen. Doch dann trifft er seinen alten Kumpel aus Schulzeiten wieder; der hilft ihm, 100 Kilo abzunehmen. Die Geschichte einer Freundschaft.
Anmerkung der Redaktion: Wie einige Wochen nach Veröffentlichung dieses Artikels bekannt wurde, hat Markus Baumann bei seiner Geschichte ein entscheidendes Detail verschwiegen: Er nahm nicht nur dank Sport und besserer Ernährung ab, er ließ sich laut Damien Zaid auch ein Magenband legen. Baumann selbst hat sich dazu bislang nicht geäußert. Näheres erfahren Sie hier.
Als ihm sein Arzt sagt, er habe vielleicht noch sechs Jahre zu leben, geht Markus Baumann nach Hause, als sei nichts. Als der junge Mann, gerade Anfang zwanzig, eines Morgens aufwacht und ganze drei Stunden benötigt, um aufzustehen, weil sein Körper derart schmerzt, dass er aus dem Bett zu einem Stuhl robben muss, um sich erst daran und anschließend an einem Tisch hochzuziehen, um dann lange dazustehen, bevor er den ersten Schritt macht, ist auch das noch kein Grund für einen Lebenswandel. Das große Wiegen beginnt für Markus erst, nachdem er seinen alten Schulfreund Damien wieder trifft.
2. Januar 2012: Markus Baumann, 182,4 Kilo schwer, BMI 57, Morbide Adipositas, die höchste Stufe der Fettleibigkeit.
Die Stimme, die aus dem Fenster eines Verbindungshauses in der Freiburger Innenstadt nach ihm ruft, kann der Sportstudent Damien Zaid erst gar nicht zuordnen. Er erkennt das runde Gesicht, das zu der Stimme gehört, zunächst nicht wieder. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die zwei einstigen Schulfreunde, die in einem Dorf bei Freiburg aufgewachsen sind, sich nach dem Abitur das letzte Mal gesehen haben. Doch Markus ist in der kurzen Zeit noch viel dicker geworden. Damien kann den Anblick kaum fassen, als er bei Markus in der Studentenbude steht. An einer Wand türmen sich die Bierkästen, an der gegenüberliegenden die Cola-Kisten. „Er hat mehr Bier und Cola als Wasser getrunken“, erinnert Damien sich heute. Er kann doch so nicht glücklich sein, ich könnte ihn trainieren, ihm beim Abnehmen helfen, denkt Damien. Eine Woche später treffen sie sich wieder.
Niemals weniger als 110 Kilo gewogen
Damien, ein Hüne von 1,90 Metern, athletischer, selbstbewusster, aufrechter Gang. Markus, einen halben Kopf kleiner, kugelrund, die Schultern hängen zur Brust, sein Gang ähnelt dem eines hin und her wippenden Bären.
Damien schwimmt schon im Kindergarten, macht Judo, fährt Inlineskates und Snowboard, versucht sich in Kampfsportarten. Markus ist schon immer der dickste Junge der Klasse. Im Schulsport verweigert er sich. Die Lehrer bemerken ja gar nicht, wenn er sich Mühe gibt. Die elterliche Gaststätte wird seine Spielwiese. Ein fröhlicher Junge, gesellig, lustig.
„Essen war immer da, und vor allem reichlich“, sagt Markus. Er hat weder ein Bewusstsein dafür, was er isst, noch wie viel davon er in sich hineinschaufelt. Mit jedem Jahr kann er beobachten, wie der Zeiger der Waage immer weiter nach rechts ausschlägt. „Weniger als 110 Kilo wog ich eigentlich nie.“ Sein Gewicht belastet seine Gelenke. Freiburg mit seinen Kopfsteinpflastern ist der Inbegriff der Qual. Tritt er falsch auf und knickt mit den Füßen zwischen den Steinen weg, bereitet ihm das unerträgliche Schmerzen. Seine Lösung? Er bewegt sich so wenig wie nötig.
Am Tiefpunkt
Ein Teil von Damien will seinem Freund helfen, ein anderer malt sich aus, wie es wäre, wenn schon sein erster Kunde 100 Kilo Gewicht verliert. Damien, der Sportwissenschaftsstudent, strebt eine Karriere als Personal Coach an. Er jobbt schon länger als Trainer in einem Freiburger Fitnessstudio, hat noch vor dem Studium eine Trainerlizenz erworben.
Und Markus, der seit Jahren von einem Studiengang zum nächsten irrt, kein rechtes Ziel im Leben hat, willigt nach einigen Wochen Bedenkzeit ein. Kurz zuvor hat er seinen Nebenjob als Nachtportier in einem Hotel verloren. Offiziell heißt es, es gebe keine Uniform in seiner Größe. „Ich glaube aber, ich war einfach nicht repräsentativ für meinen Arbeitgeber“, sagt er. Der immer fröhliche Markus ist an einem Tiefpunkt angelangt. Er will, dass sich etwas ändert, dass jemand an ihn glaubt.