Komikerin Enissa Amani : Das Püppchen weiß Bescheid
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Die Mirgations-Tussi: Enissa Amani Ende Januar im „Gloria Theater“ in Köln. Bild: Edgar Schoepal
Kontraste haben das Leben von Enissa Amani geprägt: Deutsche mit persischen Wurzeln, Tussi mit Intellekt. Begegnung mit einer Komikerin, die von Rouge ebenso viel versteht wie vom „Faust“.
Zweiundzwanzig Minuten später als vereinbart betritt Enissa Amani auf hohen Absätzen das Theater. Ihre braune Haarpracht hat sie gekonnt über die Schultern gelegt. Ihren dunklen Overknees-Stiefeln schließt sich in Richtung Oberkörper ein kurzes blaues Kleid mit bunten Punkten an. In der einen Hand hält sie ihre Handtasche, in der anderen ein durchsichtiges Beauty-Case mit rosa Rändern. Amanis lange Wimpern und glänzende Lippen lassen erahnen, was in dem Case an Utensilien alles zu finden ist. Und auch wenn man sich fest vorgenommen hatte, im schummrigen Licht des Theaters nicht über Äußerlichkeiten zu urteilen - der Gedanke „Hier kommt eine echte Tussi“ lässt sich in diesem Moment nur schwer unterdrücken. Das „Hi, ich bin Enissa“ in einer Stimmlage, die sie selbst auf der Bühne als piepsig beschreibt, trägt das Übrige zu dem Gedanken bei.
Später wird sie sagen, dass sie gerne Tussi sei, wenn Deutschland Frauen, die einen Lipgloss in der Tasche, rot getuschte Backen und ein Faible für Kleidchen haben, leichtfertig als Tussis abstempelt. Sie wird erzählen, dass man es ihr durch diese Engstirnigkeit leichtmacht zu überraschen - manchmal schon mit nur zwei klugen Sätzen. Und zwischen den Zeilen wird man heraushören können, wie es ihr in die Karrierekarten gespielt hat, dass die Figur der hübschen und zugleich cleveren Tussi in der Comedy-Szene noch nicht besetzt war. Jetzt aber nutzt sie erst mal das Spiegeln ihres Handydisplays, um ihre Haare zu richten, bevor der Fotograf auf den Auslöser drückt. Lächeln, Schmollmund, kokettierender Augenaufschlag.
Ihr Vater war Philosophieprofessor
Enissa Amani, 1,60 Meter groß, Deutschiranerin, gilt als die Neuentdeckung in einer Szene, die oft als „Ethno-Comedy“ bezeichnet wird - und von Männern dominiert ist. Diese Söhne und vereinzelten Töchter von Einwanderern scherzen über ihre Schulzeit, ihre Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur oder ihre Zerrissenheit zwischen den hiesigen Normen und den Regeln, die im elterlichen Wohnzimmer herrschten. Sie schrecken aber auch nicht davor zurück, auf burleske Weise die politischen Missstände in den Heimatländern oder die deutsche Politik ins Visier zu nehmen. Während in den Anfängen das Potential dieser Art von Unterhaltung vor allem darin lag, sich über ethnische Klischees lustig zu machen, legen Stand-up-Migranten wie Amani heute Wert darauf, dass ihre eigene Lebensgeschichte und Integration Basis für ihr Bühnenprogramm sind.
So ist es nicht verwunderlich, dass Amani oft gleich zu Beginn ihres Auftritts auf ihren Vater zu sprechen kommt. „Mein Papa hat mir nie Benjamin Blümchen vorgelesen, also, vorgelesen hat er mir schon, aber wenn, dann aus dem Kommunistischen Manifest - törröörr.“ Zu ihrem „Papa“ hat die Achtundzwanzigjährige - alle anderen Altersangaben, die über sie kursieren, tut sie betont als falsch ab - eine besonders enge Beziehung. Amanis Vater, ein iranischer Literatur- und Philosophieprofessor, saß wegen seiner Liebe zu Büchern und seiner kommunistischen Überzeugung vier Jahre lang als politischer Gefangener in einem iranischen Gefängnis. Nach seiner Freilassung floh die Familie Mitte der achtziger Jahre nach Deutschland, erst nach Hannover, später nach Frankfurt.
Amani, die heute in Köln lebt, war noch ein Kleinkind, als ihre Eltern entschieden, dass ihre Mutter in Deutschland wieder das Medizinstudium aufnimmt und ihr Vater zu Hause bei der Tochter bleibt. Seit Jahrzehnten arbeitet der Akademiker nun nachts in der Poststelle des Frankfurter Flughafens. Seine Begeisterung für Literatur wie Philosophie aber hat er sich bewahrt und an seine Tochter weitergegeben.