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Konsum mit Folgen : Wie schädlich sind Pornos?

Befriedigung auf Abruf: Über die Auswirkungen von Porno-Konsum wird kaum öffentlich debattiert. Bild: dpa

Mit dem ersten Smartphone machen Kinder und Jugendliche oft auch die ersten Erfahrungen mit Pornographie. Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass intensiver Konsum psychische und körperliche Folgen hat.

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          Pornographie ist ein Massenphänomen. Unter den 30 Websites, die in Deutschland am meisten besucht werden, finden sich vier Pornoseiten. Und die Zugriffe nehmen immer weiter zu: „pornhub.com“ wurde 2019 ganze 42 Milliarden Mal besucht, achteinhalb Milliarden mehr als im Vorjahr. Und 2018 waren es schon fünf Milliarden mehr als 2017 gewesen. Die Deutschen belegten beim Besucherranking dieser Seite Platz sechs. Mehr als die Hälfte der Zugriffe erfolgten über das Smartphone.

          Leonie Feuerbach
          Redakteurin in der Politik.

          Mit dem ersten Smartphone machen Kinder und Jugendliche in Deutschland oft auch die ersten Erfahrungen mit Pornographie. In einer Studie gab die Hälfte der befragten Studenten an, Pornographie vor dem 13. Lebensjahr konsumiert zu haben, 84 Prozent der Studenten und 19 Prozent der Studentinnen konsumieren einmal bis mehrmals wöchentlich Pornos.

          Über die Auswirkungen dieses Konsums wird kaum öffentlich debattiert. Zu Unrecht, findet etwa die Psychologin Tabea Freitag, die zusammen mit ihrem Mann die „Return – Fachstelle Mediensucht“ in Hannover gegründet hat. Denn fast 90 Prozent der gefragtesten Mainstream-Pornos zeigten Gewalt und Demütigung von Frauen. „Natürlich gibt es unseriöse Wissenschaftler, die trotz der Vielzahl eindeutiger Studien behaupten, eine negative Wirkung von Pornographie sei nicht nachgewiesen“, sagt Freitag. „Aber das ist ungefähr so absurd, wie wenn man sagt, eine Wirkung von rechtsradikalen Bildern und Botschaften in den Medien sei nicht nachgewiesen.“

          Zwanzigjährige mit Erektionsproblemen

          Auch auf körperliche Folgen von intensivem Pornokonsum deutet inzwischen vieles hin. „Der vorzeitige Samenerguss ist eine der häufigsten sexuellen Funktionsstörungen bei Männern, und noch vor 15 Jahren war ein ausbleibender oder verzögerter Orgasmus beim klassischen Geschlechtsverkehr ein kaum existentes Thema“, schreibt die Psychologin Heike Melzer in einem Aufsatz, der in der Fachzeitschrift „Nervenheilkunde“ erschienen ist. Das habe sich geändert: In ihre Sprechstunden kommen Zwanzigjährige mit Erektionsproblemen. Dass dies keine Einzelfälle sind, zeigen Studien.

          Eine Untersuchung fand schon 2012 heraus, dass 30 Prozent der teilnehmenden Männer zwischen 18 und 24 Jahren unter einer erektilen Dysfunktion litten. 2015 wies eine andere Studie einen Zusammenhang zwischen häufiger Masturbation zu Pornographie und erektiler Dysfunktion nach. Untersuchungen zeigen nicht nur, dass ein erhöhter Pornokonsum mit einer niedrigeren Beziehungsqualität und einem Anstieg der Scheidungsrate einhergeht, so Melzer. Sie lassen auch eine positive Korrelation zwischen Pornokonsum und Angstzuständen, Einsamkeit und depressiven Symptomen vermuten.

          Die von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebene Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) listet Pornosucht zwar bisher nicht als Krankheit auf. Die ICD-11, die Anfang 2022 in Kraft tritt, kennt aber als Diagnose „Compulsive Sexual Behaviour Disorder“ (zwanghaftes sexuelles Verhalten) – und darunter fällt auch Pornosucht.

          Kritiker hingegen betonen, dass praktisch jedes neue Medium eine Debatte über Schädlichkeit und mögliches Suchtverhalten provoziert, von Romanen über Comics bis hin zu Computerspielen und Pornos. Exzessiver Medienkonsum sei aber weniger ein eigenes Krankheitsbild als vielmehr Ausdruck einer anderen Krankheit, etwa einer Depression, Angststörung oder Sozialphobie. Sie verweisen zudem darauf, dass nicht Pornos per se schädlich seien, sondern mangelnde Aufklärung, die junge Menschen den Unterschied zwischen echtem Sex und Pornos nicht erkennen lasse. Aufklärungsunterricht in der Schule sollte sich nicht nur um Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten drehen, sondern um Themen wie Lust und sexuelle Orientierung. Das sieht auch der Berater Dietrich Riesen so: „Die Schüler haben so viele Fragen: Bin ich attraktiv? Werde ich jemanden finden? Muss ich in einer Beziehung sofort Sex haben? Wie kann ich über Sex sprechen?“ Würde der Unterricht solche Fragen behandeln, nähme die Attraktivität von Pornos für Schüler vielleicht nicht automatisch ab. Zumindest aber könnten die Schüler das, was sie sehen, anders bewerten.

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