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Ballerina Polina Semionova : Die Frau, die ihre Seele kennt

  • -Aktualisiert am

Polina Semionova als „Giselle“ in Berlin: „Ich weiß, was es alles kostet, auf der Bühne zu stehen.“ Bild: Joachim Fieguth

Wenn du nicht mehr du selbst bist, ist es perfekt: Polina Semionova gilt als beste Ballerina ihrer Zeit. Annäherung an einen demütigen Weltstar.

          7 Min.

          Das Ballerina-Dasein ist ein gelebter Widerspruch. Sie sehen so zerbrechlich aus, dabei sind Balletttänzer so zäh wie kaum ein Hochleistungssportler. Es geht dabei nicht um die eine Hundertstelsekunde schneller, höher oder weiter, sondern um einen Ausdruck, um eine Leichtigkeit, um Perfektion, die ebenso schwer zu erklären wie zu bekommen ist.

          Es ist zehn Uhr morgens. In den Probenräumen des Staatsballetts Berlin in der Deutschen Oper trainiert Polina Semionova, die derzeit beste Ballerina der Welt, mit den männlichen Solisten, so wie einst Steffi Graf, die glaubte, nur so noch besser werden zu können. Ballettmeisterin Barbara Schroeder, die selbst 19 Jahre professionell getanzt hat und nun seit fast drei Jahrzehnten beim Staatsballett ist, sagt: „Alle 100 Jahre gibt es Menschen wie Polina, die haben diese Jahrhundert-Aura, die man gar nicht in Worte fassen kann.“

          Berufsoptimiert: Haut, Muskel, Knochen

          Semionovas Haare sind streng nach hinten zu einem Zopf gebunden, sie trägt ein graues Top und eine blaue, weite Thermohose, ihre Füße stecken in schwarz-weiß gemusterten Lammwollpuschen, damit sie warm und geschmeidig bleiben. Polina Semionova ist Haut, Muskeln, Knochen. Ihr Körper wirkt ausgezehrt, tatsächlich ist er berufsoptimiert. Zum Aufwärmen schwingt sie ihr Bein mit einer Leichtigkeit an ihre Nasenspitze, was erahnen lässt, wie viele tausend Trainingsstunden in ihm stecken müssen. Ballettmeisterin Schroeder leitet das Training, zu Beginn werden alle fünf grundlegenden Fußpositionen durchexerziert: Plié, Hacke, Spitze, 1-2-3, und wieder von vorne.

          Staatsballett Berlin : Polina Semionova trainiert für die Rolle der „Giselle“

          In den kleinen Pausen kehrt Polina immer wieder zu ihrer Tasche und ihrer Decke zurück, sie kramt ihre Spitzenschuhe heraus, knetet sie, legt ein Tuch über die geschundenen Zehen, passt ihre Füße in den Schuhen an, schlüpft wieder heraus und zurück in die Ballerinas, genannt „Schläppchen“. Ihre Zehennägel sind rot lackiert. Die Art, mit welcher Akkuratesse Tänzerinnen sich um ihre Füße kümmern, hat etwas Geheimnisvolles. So als wüssten sie genauer als alle anderen, wie man Erfolg im Leben auf die Beine stellt.

          Technisch, sagt Schroeder, seien Spitzentänzer heute alle perfekt, aber Polina steche in allem heraus. Sie erinnere sich noch gut, als sie mit 17 nach Berlin kam, „da blieb uns erfahrenen Tänzern allen der Mund offen stehen, weil wir nicht glauben wollten, wie weit sie schon war, was sie schon konnte, wie sie strahlte. Und nach jeder Probe blieb sie immer noch länger als jeder andere und arbeitete weiter an sich. Polina ist die seltene Begabung aus Kopf, Talent, Ehrgeiz und Charisma.“

          Semionova: „Ich gebe alles, halte nichts zurück“

          Polina Semionova will das alles nicht hören. Es sei nicht richtig, „dass ich so über mich denke“, sagt sie mit ihrem russischen Akzent am Tag nach der Wiederaufnahme von „Giselle“, eines Meisterwerks des romantischen Balletts, in welchem sie die Hauptrolle tanzt. Sie nascht zum Kaffee eine Schokopraline, jede Selbstbeweihräucherung ist ihr fremd. Die Hochgelobte ist ungewöhnlich scheu für eine Primaballerina, der man gerne Diven-Allüren unterstellt. Gegenüber Menschen, die sie nicht kennt, Journalisten zumal, bleibt sie misstrauisch. „Berühmt werden, das war nie mein Ziel, und ein Diva-Verhalten ist dumm, weil es nichts bringt.“ Sie möchte gut sein für sich, nicht für andere, sagt sie. „Was ich auf der Bühne suche, ist das Loslassen, das Sich-gehen-Lassen. Ich gebe alles, halte nichts zurück. Wenn du nicht mehr du selbst bist, weil alles intuitiv abläuft, das ist der perfekte Moment auf der Bühne.“

          Die Bühne, der Tanz haben sie befreit, das kann man heute sicher sagen, ohne zu weit zu gehen. Wenn sie als Kind tanzen war, habe sie sich frei und glücklich gefühlt, so hat sie es oft erzählt. Polina, 1984 in Moskau geboren, Vater Ingenieur, Mutter Lehrerin, war als Kind sehr schüchtern, mit zehn Jahren gelang ihr die Aufnahme an der berühmten Bolschoi-Akademie, schon mit 17 holte der Tänzer und Choreograph Vladimir Malakhov sie als erste Solistin nach Berlin. Vor zwei Jahren ging sie nach New York ans American Ballet Theatre. Heute ist sie ein Weltstar.

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