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Pokerspielerin Sandra Naujoks : Der einzige echte Mann am Tisch

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Liegt es an den blauen Augen? Sandra Naujoks zeigt ihr Pokerface

Liegt es an den blauen Augen? Sandra Naujoks zeigt ihr Pokerface Bild: dpa

Zur Arbeit trägt sie Cowboyhut, Eisblick und tiefes Dekolleté. Sie ist jung, aggressiv und kann Schmerzgrenzen überwinden. Das hat der 27 Jahre alten Wahlberlinerin Sandra Naujoks neulich 900.000 Euro gebracht – am Pokertisch.

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          Stahlblau? Strahlend blau? Eisig blau? Das liegt im Auge des Betrachters. Wichtig für ihren Beruf ist nur: „Ich schaffe es, nüchtern dreinzuschauen, damit man aus meinen Augen nicht lesen kann.“ In ihrem Beruf geht es um Taktik, Spielerfahrung, Detailwissen, aber auch um Körpersprache und Mimik. Den vermeintlich nichtssagenden Blick kann sie schnell anknipsen, Kontrolle ist alles. Sandra Naujoks muss möglichst wenig von sich preisgeben.

          Um jeden Preis. Mehr als 900.000 Dollar hat sie neulich kassiert, für den Sieg in Dortmund bei einem Turnier der European Poker Tour (EPT). 670 andere Spieler ließ sie hinter sich, als zweite Frau überhaupt gewann sie ein so großes Turnier. Seitdem fliegen ihr Fototermine, Autogrammwünsche, Heiratsanträge nur so zu. Aber Vorsicht! „Weiblich, ledig, jung, aggressiv“, die Schlagworte breitet die 27 Jahre alte professionelle Pokerspielerin wie einen Schutzschirm um sich aus. Mehr muss man über sie nicht wissen. Bluffen gehört schließlich zum Handwerk.

          Große Erfolge sind bei Frauen selten

          Es ist kurz vor zwölf Uhr, und Sandra Naujoks frühstückt in ihrem Stammcafé im Prenzlauer Berg. Sie mag es gern deftig, isst Rührei mit Speck nach durchzockter Nacht, posiert für Fotos mit Cowboyhut und Zigarre. Frauen stellen nur etwa vier Prozent der Spieler bei großen Pokerturnieren, große Erfolge sind selten. Sandra Naujoks hat sich mit ihrem Triumph auf einen Schlag einen großen Namen gemacht. Seitdem ist ihr Kampfname „Black Mamba“: „Den werde ich nicht mehr los. Dabei sollte Sandra allein den Gegnern schon genug Angst machen.“

          Kontrolle ist alles: Sandra Naujoks Mienenspiel verrät dem Poker-Gegner nichts
          Kontrolle ist alles: Sandra Naujoks Mienenspiel verrät dem Poker-Gegner nichts : Bild: ddp

          So weit hergeholt ist „Black Mamba“ gar nicht. Schließlich hält sie eine Schlange als Haustier in ihrer Berliner Wohnung und trägt selbst mit Vorliebe Schwarz: Highheels, Rock, Augenlider, Brauen, Haare. Strahlend weiß sind nur Bluse und Zähne. Zur Arbeit trägt sie ohnehin Schwarz, dazu einen Cowboyhut und ein tiefes Dekolleté. „Viele Männer sind testosterongeladene Ego-Spieler, die keine Hand gegen eine Frau verlieren wollen.“ Das nutzt sie aus, das ist ihr Vorsprung.

          Ihre Gegner sind Coole, Lässige, Verhaltensgestörte, Autisten

          Sie liebt das neue Jetset-Leben von einem Pokertisch zum nächsten, von Melbourne nach Paris, von Wien nach Las Vegas. Am Morgen im Hotel aufwachen und nicht wissen, auf welchem Erdteil sie gerade ist. Dann „Zock ’n’ Roll“, Spielchips über filzbespannte Tische schieben, Analyse der Gegner, „bis ich weiß, in welchem Moment sie schwach sind“. Gut, dass die Hausschlange am Prenzlauer Berg nur alle paar Wochen etwas zu fressen braucht. 300 Tage ist Sandra Naujoks in diesem Jahr unterwegs. Zwölf, dreizehn Stunden lang sitzen die Spieler bei den großen Turnieren am Tisch. „Das ist wahnsinnig anstrengend“, sagt sie. „Jede Hand, die man spielt, kann Hundertausende wert sein.“

          Und da sitzt sie nun, in einem Saal im Monte Carlo Bay Resort, 50 Meter vor und zehn Meter über dem Mittelmeer, Schulter an Schulter mit neun Gegnern um einen Tisch, der etwas instabil wirkt. Die Szenerie beim EPT Grand Final ist nicht glamourös: der Teppichboden kreischend bunt, das Licht blaustichig, die Klimaanlage im verzweifelten Kampf gegen Körperausdünstungen. Ihre Gegner sind gelackte Typen in Anzug und mit kunstvoll gestutztem Bärtchen, Verschrobene mit fettigen Haaren und Wollpulli, Coole, Lässige, Verhaltensgestörte, Autisten, Schweiger. In der Pause gibt es matschigen Cheeseburger mit Pommes für 18 Euro.

          Ein echter Zocker hat schlechte Manieren

          Das fällt aber nicht ins Gewicht für die Teilnehmer, die 10.000 Dollar „Buy-in“ gezahlt haben, um dabei zu sein. 1000 Kartenspieler sind im Raum, noch mal so viele Menschen laufen, stehen, liegen herum. Viele tragen verspiegelte Sonnenbrillen oder Schals, denn jede geweitete Iris, jedes Zucken der Halsschlagader sind verräterisch. Sandra Naujoks hat ihren Eisblick angeknipst. Einige Herren haben sich schon mit ihrem Dekolleté befasst. Wie in Trance lassen die Spieler ihre Spielchips durch die Finger gleiten. Der rasselnde Grundton des Turniers klingt wie ein Heer angriffslustiger Klapperschlangen. Sandra Naujoks setzt sich Kopfhörer auf und lauscht ruhiger Musik, meistens Opern. „Heute Verdi, morgen Wagner.“

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