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Nervige Jahresrückblicke : Das war Barack Obamas 2018

Seine Empfehlungen zum Jahresabschluss lohnen sich: Barack Obama. Bild: AP

Barack Obama hat seine Empfehlungen zum Jahresende kundgetan: Bücher, Filme, Lieder. Den Trend zum Jahresabschluss greifen viele auf, in den sozialen Netzwerken wimmelt es nur so von Privat-Rückblicken. Muss das sein?

          3 Min.

          2018 ist vorüber, und mit dessen Ende beschleicht uns das Gefühl, das ganze schöne Jahr vorrangig mit lästigen Dingen wie Arbeiten, Schlafen und Netflix-Blödeleien verbracht zu haben. All jenen, die es über die letzte Game-of-Thrones-Staffel nicht hinaus geschafft haben, leiht Barack Obama, früherer Staatschef der Vereinigten Staaten und für viele noch immer Präsident der Herzen, nun seine Empfehlungen. Dann kann man auf der Silvesterparty zumindest so tun, als habe man seine Freizeit auch mit sinnvollem Kunst- und Kulturgenuss gefüllt.

          Johanna Dürrholz
          Redakteurin im Ressort „Deutschland und die Welt“.

          Obama folgt damit einer von ihm selbst rehabilitierten Tradition, die sich inzwischen nicht nur Personen des öffentlichen Lebens zu eigen gemacht haben. In den sozialen Netzwerken wimmelt es derzeit nur so von „Das war mein Jahr 2018“-Bildercollagen, von Listen der besten Songs, Alben, Filme oder (seltener, aber tatsächlich auch, ja:) Bücher. Selbst die besten Beautyprodukte des Jahres wurden schon gekürt (allerdings nicht von Dermatologen).

          Freilich sind viele dieser, ähm, Memoiren nicht nur sehr privater Natur, sondern vermitteln zuweilen auch den Eindruck, dass sämtliche etwa auf Instagram aktive Personen den Großteil des Jahres in verträumter Pose am Strand, irgendwo in Thailand (besonders beliebt: von hinten auf der Schaukel, aufs Meer blickend) verbracht haben. Oder wie sonst erklärt es sich, dass die Übersicht des Hashtags #2018bestnine, unter dem sich über 213.000 Rückblicks-Collagen versammeln, daherkommt wie ein TUI-Katalog?

          Niemand kommt hingegen auf die Idee zu sagen: bester Moment 2018? Das war ganz klar, als wir mal wieder in der Spalte zwischen Sofa und Wohnzimmerschrankwand gesaugt haben (selbst dann nicht, wenn es der Wahrheit entspricht). Oder der sicherlich sehr eindrückliche Moment, von dem wohl auch Jahre später noch erzählt wird: zum ersten Mal wurde uns das Auto abgeschleppt! In Jahresrückblicken, die ja eigentlich eine Zusammenfassung der wichtigsten Momente bieten sollten, kommt das alles nicht vor. Stattdessen Hochzeitsbilder noch und nöcher, auf Hochglanz polierte, völlig ungestellte Verlobungsszenarien (er hält sie, die mit in den Nacken geworfenem Kopf vor Lachen zu brüllen scheint, auf dem Arm, scheinbar ohne Anstrengung), oder jede Menge winzige Babyhände, die sich zum allerersten Mal, so scheint es, um den elterlichen Daumen winden. Und eben Urlaubsbilder en masse, so als wäre das Leben ein einziger Urlaub oder zumindest voll von endlos langen Reisen in die entlegensten Länder mit den schmackhaftesten Speisen, dem blausten Himmel und dem türkisesten Meer. Ever.

          Nicht nach Urlaub muten hingegen Barack Obamas Empfehlungen zum Jahresende an. Auch im Sommer veröffentlicht er zwar stets Buchempfehlungen, die – wenn beherzigt – eine Urlaubsreise nicht unbedingt nur versüßen, oft jedoch intellektuell bereichern. Zum Jahresende aber wartet er gleich mit mehreren Listen auf: einer Zusammenfassung der Bücher, die er gelesen und bereits empfohlen hat, einer Liste mit seinen weiteren Buchfavoriten des Jahres, mit seinen liebsten Filmen des Jahres und mit seinen Lieblingsliedern 2018. Letztere sollen wohl sagen, dass Obama, auch wenn er wohl nie schläft, weil er immerzu hochpolitische, ganz ganz wichtige Bücher liest, auch Spaß haben kann. Welcher frühere Präsident hat nicht schon mal seinen Booty zu Cardi B geshaked?

          Nichtsdestotrotz, der Mann hat Ahnung und der Mann hat vor allem Stil. Als Allererstes empfiehlt er nämlich kein anderes Buch als das seiner Frau Michelle: „Becoming“, versehen mit der Bemerkung, dass dieses selbstverständlich sein Favorit sei. Sonst finden sich in seinen Tipps diverse Bücher, die vielen unbekannt sein dürften, ebenso wie Bewährtes. So hat Obama etwa „Americanah“ gelesen, einen Bestseller aus dem Jahr 2013 (in Deutschland 2014 erschienen) von der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, der von einer Nigerianerin in Amerika und ihren dortigen Erfahrungen mit Rassismus handelt. Auch die Filmempfehlungen entbehren der politischen Botschaften nicht. „Black Panther“, der Superheldenfilm mit ausschließlich schwarzem Cast, findet sich dort ebenso wie die Hulu-Dokumentation „Minding the Gap“, die das Leben dreier junger Männer und ihren Umgang mit der eigenen Männlichkeit und der eigenen Herkunft beleuchtet. Und die Musik? Die Musik ist das, was Obama immer schon von anderen Politikern unterschieden hat: einfach hip. Eine der wichtigsten feministischen Stimmen des letzten Jahres, Janelle Monae, hat es ebenso auf Obamas Playlist geschafft wie Lo-Fi-Gott Kurt Vile.

          Wer sich für 2019 also noch nicht viel vorgenommen hat, dem sei dringend ans Herz gelegt, sich durch Obamas anspruchsvolle und reichhaltige Listen zu lesen, zu schauen und zu hören. Vorher darf dann, zur Entspannung vor dem großen Stoff, bestimmt auch Dinner for One geschaut werden.

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