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© 73rd Venice International Film Festival

„Es ist schwer, First Lady zu sein“

Interview mit Natalie Portman von ROLAND LINDNER

18.01.2017 · Schauspielerin Natalie Portman über Jackie Kennedy, politische Imagepflege, Heimatgefühle und Donald Trump

Frau Portman, auf Wikipedia ist zu lesen, dass Sie Deutsch sprechen.

Das stimmt leider nicht. Ich kann nur ein paar Wörter, so wie wahrscheinlich die meisten Menschen.

Aber es ist richtig, dass Sie Französisch und Hebräisch beherrschen?

Ja, wobei mein Französisch auch sehr fehlerhaft ist. Zu Hause sprechen wir Englisch.

© AFP Natalie Portman und ihr Ehemann, der Tänzer und Choreograph Benjamin Millepied im Mai 2013 in Cannes

Sie haben eine Zeitlang in Paris gelebt, seit vergangenem Jahr sind Sie wieder in Los Angeles. Vermissen Sie Europa?

Ja, aber ich mag beide Orte. Es war wunderbar, in Paris zu leben, wegen der Kultur und der Leute. Wir haben dort sehr gute Freunde gefunden, und ein Teil unserer Familie ist da. Dafür gefällt mir die Freiheit und Offenheit in Los Angeles. Und dass dort so oft die Sonne scheint.

In Ihrem neuen Film spielen Sie Jackie Kennedy, eine der berühmtesten First Ladys. Was haben Sie über sie gelernt, das sie vorher noch nicht wussten?

Sehr viel. Mein Wissen war vorher ziemlich oberflächlich und beschränkte sich auf Äußerlichkeiten und die Großereignisse in ihrem Leben. Es hat mich überrascht zu lernen, wie viel Tiefe, politisches Wissen und Witz sie hatte.

© Bliss Media „Jackie“; 2016. Regie: Pablo Larraín. Darsteller: Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Greta Gerwig. Start am 26.01.2017.

Hat die Öffentlichkeit ein falsches Bild?

Ich denke, sie hat ein Image von sich geschaffen, das viel mit der Optik zu tun hatte. Das war fast wie eine Rüstung, damit die Leute nicht sehen konnten, wer sie wirklich war. Vielleicht wollte sie nicht, dass die Leute das wissen.

Der Film dreht sich um die Zeit direkt nach dem Attentat auf John F. Kennedy und hat einige ziemlich drastische Szenen. Meinen Sie, er könnte bei der Kennedy-Familie alte Wunden aufreißen?

Ich kann mir vorstellen, dass es für sie vielleicht nicht einfach sein könnte, den Film anzusehen. Aber sie haben hoffentlich die Wahl, ob sie ihn sehen oder nicht.

Der Film vermittelt die Botschaft, dass Jackie Kennedy im öffentlichen Auftreten ganz anders war als privat. Warum war das Ihrer Meinung nach so?

Ich denke, jeder hat verschiedene Persönlichkeiten, je nachdem, mit wem er gerade zu tun hat. Wir zeigen nicht bei jedem die gleichen Charaktereigenschaften von uns.

© AP Natalie Portman und Capar Philipson als das Ehepaar Kennedy

Das gilt auch für Sie persönlich?

Ja, ich denke, das gilt für jeden. Bei manchen Leuten gibt man sich stärker, bei anderen schwächer. Bei manchen lustig, bei anderen ernsthafter. Jackie hatte ein sehr gutes Gefühl dafür, wie die Leute sie sehen und wie sie gesehen werden wollte.

Sie haben den Film in Paris gedreht, wo Sie damals mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebten. War es manchmal schwer, nach der Arbeit an einem so trübseligen Film abends nach Hause zu kommen und eine gut gelaunte Mutter zu sein?

Nein, ich kann den Schalter ganz gut umlegen und die Arbeit hinter mir lassen.

Im Film geht es auch um die Erwartungen, die eine First Lady zu erfüllen hat. Finden Sie, das ist ein harter Job?

Ich finde, es ist schwer, sich darüber zu definieren, was der Ehepartner macht. Ich denke, Jackie Kennedy war eine der ersten, die ihre eigene Agenda hatte und sich auch über ihr eigenes Handeln und ihre eigene Mission definiert hat. Seither haben wir einige andere First Ladys gesehen, die sich ganz besonderen Anliegen gewidmet haben.

Finden Sie, die scheidende First Lady hat die Rolle gut ausgefüllt?

Ja, Michelle Obama war unglaublich und eine großartige Inspiration für viele Frauen.

© AP Szenen aus dem Film „Jackie“: Der Tod von JFK wirft Jackie (Natalie Portman) aus der Bahn

Was erwarten Sie von der nächsten?

Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nichts über sie.

Sie haben Hillary Clinton im Wahlkampf unterstützt und sind bei einigen ihrer Veranstaltungen aufgetreten. Wie haben Sie sich in der Wahlnacht gefühlt?

Ich war ziemlich entsetzt. Andererseits: Nachdem dieses erste Gefühl vorbei war, habe ich eine Energie in mir gespürt, mich persönlich mehr für die Menschen um mich herum zu engagieren und zu versuchen, Dinge zum Positiven zu verändern.

Was könnten Sie sich denn vorstellen?

Zum Beispiel ehrenamtliche Aufgaben. Insbesondere mich in Programmen einzubringen, die sich an Mädchen und Frauen richten und sie ermutigen, führende Rollen auf Gebieten anzustreben, für die sie eine Leidenschaft haben.

© AP Jackie Kennedy im Gespräch mit einem Journalisten, gespielt von Billy Crudup

Am Tag nach der Wahl haben sie in Los Angeles einen Preis bei einem Festival für israelische Filme bekommen und eine sehr nachdenkliche Rede gehalten. Sie haben dazu aufgerufen, Fanatismus mit Neugier zu bekämpfen. Das war wohl als Seitenhieb auf den Wahlsieger Donald Trump zu verstehen?

Ich denke, ich wollte allgemein darüber sprechen, dass unser Land im Moment sehr gespalten ist und alle Arten von Hass an die Oberfläche kommen. Wenn wir als Künstler Geschichten erzählen, wollen wir Empathie für Menschen wecken, mit denen man vielleicht sonst nichts zu tun hat. Und wenn uns das gelingt, wird das hoffentlich auch einen Effekt im wahren Leben haben.

Warum haben Sie sich so stark für Hillary Clinton eingesetzt?

Ich denke, sie ist eine sehr, sehr beeindruckende Frau. Sie ist unglaublich klug und erfahren, und sie hat wunderbare Sachen in ihrer Karriere getan. Sie hat für Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten gekämpft, und wir können uns sehr glücklich schätzen, dass jemand wie sie sich so für das Gemeinwohl engagiert.

Wenn Sie aus dem Fenster dieses Hotelzimmers blicken, sehen Sie den Trump Tower. Was geht da in Ihnen vor?

Naja, ich bin mir des politischen Moments, in dem wir uns befinden, wohl bewusst, und ich beobachte das sehr aufmerksam. Ich denke einfach, wir müssen derzeit sehr aktive Bürger sein und uns in unserem Land einbringen.

Wovor haben Sie am meisten Angst?

Ich weiß es nicht. Ich will mich nicht zu viel damit aufhalten, Angst zu haben. Man muss doch die Realität annehmen und darauf reagieren, so gut man kann, und die beste Person sein, die man sein kann. Und dann hofft man auf das Beste. Mein Land und die ganze Welt liegen mir sehr am Herzen, und wir müssen positiv bleiben und Hoffnung haben, anstatt uns der Angst hinzugeben. Aber dabei natürlich auch alles aufmerksam verfolgen, was passiert.

Wenn Sie von „meinem Land“ sprechen, meinen Sie die Vereinigten Staaten? Sie haben ja sowohl die amerikanische als auch die israelische Staatsbürgerschaft.

Ja, schließlich lebe ich hier. In Israel lebe ich nicht, und dort wähle ich auch nicht. Ich fände das nicht richtig.

Sie sollen einmal gesagt haben, dass Sie die Vereinigten Staaten lieben, aber Ihr Herz doch in Israel ist.

Ich fühle mich vor allem als Weltbürgerin, denn ich finde, Nationalismus und Patriotismus werden unser Untergang sein. Kulturell bin ich natürlich vor allem von den Gegenden beeinflusst worden, wo ich gelebt habe. Amerika steht an erster Stelle, weil ich hier am meisten Zeit verbracht habe, aber auch Israel hat mich sehr geprägt, und zuletzt auch Frankreich.

© AP Natalie Portmans Darstellung der Jackie Kennedy überzeugt – auch in dieser Szene, welche sie bei der Beerdigung ihres Mannes zeigt

Haben Sie als Person jüdischen Glaubens Angst vor einem stärker werdenden Antisemitismus?

Ich denke, es gibt im Moment eine Eruption von Hass. Vielleicht war er nie weg, womöglich war er mehr im Hintergrund. Aber letzten Endes glaube ich an die Ideen, für die unser Land steht, und daran, dass wir eine glänzende Zukunft haben werden.

Sie waren immer sehr politisch und haben sich für viele verschiedene Dinge eingesetzt. Wie kommt das?

Na ja, jeder, der die Welt um sich herum verfolgt, wird die Notwendigkeit sehen, die Dinge zu verbessern.

© AP Peter Sarsgaard spielt Bobby Kennedy

Aber manche tun das mehr als andere. War es bei Ihnen der familiäre Hintergrund? Politische Gespräche beim Abendessen mit den Eltern?

Ja, meine Eltern haben viel über Politik und Ungerechtigkeit gesprochen. Die jüdische Schule, auf die ich gegangen bin, bis ich 13 Jahre alt war, hat mich auch sehr geprägt.

Sie haben in Harvard Psychologie studiert, als Sie schon Schauspielerin waren. Warum?

Ich wollte einfach meine Ausbildung fortsetzen. Im Nachhinein habe ich dort einige meiner engsten Freunde getroffen, und die Zeit hat mir geholfen, erwachsen zu werden und mir meine eigene Meinung über die Welt zu bilden. Es war einfach eine bereichernde Erfahrung.

Sie gelten in diesem Jahr als eine der Favoritinnen für den Oscar als beste Schauspielerin. Wie wichtig wäre es für Sie, den Preis ein zweites Mal zu gewinnen?

Es ist schon sehr schmeichelhaft, dass darüber gesprochen wird. Wenn man einen Film macht, träumt man ja davon, dass er die Leute bewegt und eine emotionale Reaktion bei Ihnen auslöst.

© dpa Natalie Portman, Gewinnerin des „Desert Palm Achievement Actress Award“ für den Film „Jackie“ am 2. Januar 2017 in Palm Springs

Sie sind Veganerin, aber bei ihrer ersten Schwangerschaft haben Sie auf „Vegetarierin“ umgestellt. Wie ist es jetzt, wo Sie wieder schwanger sind?

Diesmal bin ich Veganerin geblieben.

Oscar-Gewinnerin und Oscar-Favoritin Das Gespräch mit Natalie Portman findet im Peninsula-Hotel an der Fifth Avenue in New York statt. Durch das Fenster sieht man den Trump Tower. Das ist passend. Denn die Schauspielerin verkörpert in ihrem neuen Film Jackie Kennedy, die Frau des früheren Präsidenten John F. Kennedy. Diesen Ort für das Interview zu wählen ist aber auch irgendwie ironisch – denn Portman hat im Wahlkampf für Donald Trumps Rivalin Hillary Clinton geworben und ist bei einigen ihrer Veranstaltungen aufgetreten. Portman wurde 1981 als Neta-Lee Hershlag in Jerusalem geboren. Sie zog mit ihren Eltern nach Amerika, als sie drei Jahre alt war, später nahm sie den Mädchennamen ihrer Großmutter an. Ihr erster Film „Léon – Der Profi“ kam heraus, als sie 13 Jahre alt war. Einem noch größeren Publikum wurde sie als Padmé Amidala bekannt, die sie in drei „Star Wars“-Filmen spielte. Für die Darstellung einer Primaballerina mit Abgründen in „Black Swan“ bekam sie 2011 einen Oscar. Ihre Arbeit an „Jackie“ hat sie nun wieder zu einer der großen Favoritinnen für die Auszeichnung gemacht. Wie damals erscheint Portman, die mit dem französischen Balletttänzer Benjamin Millepied verheiratet ist, auch dieses Mal zu den Preisverleihungen in Umstandsmode. 2011 kam ihr Sohn Aleph zur Welt, zurzeit ist sie mit ihrem zweiten Kind schwanger. „Jackie“ kommt am 26. Januar in die deutschen Kinos.

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Quelle: F.A.Z.

Veröffentlicht: 17.01.2017 15:14 Uhr