„Schlimmste PR-Entscheidung“ : Prinz Andrew erklärt sich – und auch nicht
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Die Antworten von Prinz Andrew auf die schonungslosen Fragen der BBC-Moderatorin Emily Maitlis waren mitunter abschweifend und widersprüchlich. Bild: BBC News/Press Association Images/dpa
Prinz Andrew hat in einem BBC-Interview zu seiner vermeintlichen Verstrickung in den Missbrauchsskandal um Jeffrey Epstein Stellung bezogen. Dabei wirkte er schlecht vorbereitet und ungeschickt.
Nach dem Fernsehauftritt, in dem Prinz Andrew Stellung bezogen hat zu seiner vermeintlichen Verstrickung in den Missbrauchsskandal um den verstorbenen amerikanischen Milliardär Jeffrey Epstein, bleibt die Frage des Moderators Piers Morgan: „Warum um alles in der Welt hat er dies getan?“
Es ist nicht nur das Warum, das Verblüffung erregt, sondern auch das Wie. Der Prinz wirkte schlecht vorbereitet und ungeschickt. Seine Antworten auf die schonungslosen Fragen der BBC-Moderatorin Emily Maitlis waren mitunter abschweifend und widersprüchlich. Medien zitierten eine Quelle aus dem Königshaus mit der Einschätzung, dass das Interview als „eine der schlimmsten PR-Entscheidungen aller Zeiten“ in die Geschichte eingehen werde.
Der zweitälteste Sohn der Königin steht durch seine Freundschaft mit dem verurteilten Sexualstraftäter Epstein seit mehreren Jahren unter Druck. Virginia Roberts Giuffre, eine der Frauen, die Epstein beschuldigen, sie als minderjährige Sexsklaven missbraucht zu haben, behauptet, er habe sie zwischen 1999 und 2002 drei Mal, in London, New York und auf seinem Anwesen auf den Jungferninseln, zum Geschlechtsverkehr mit Prinz Andrew gezwungen. Dieser bestritt in dem 45 Minuten langen Gespräch, das die BBC im Buckingham Palace führte und am Samstagabend ausstrahlte, Virginia Roberts Giuffre zu kennen. Er könne sich nicht erinnern, „dieser Dame jemals begegnet zu sein, überhaupt nicht“.
Der Prinz stellte die Authentizität eines Fotos aus dem Jahr 2001 in Frage, auf dem seine Hand auf der halbentblößten Hüfte des Mädchens ruht. „Kategorisch“ versicherte er, keinen Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt zu haben. Das Bild soll in der Londoner Wohnung von Ghislaine Maxwell aufgenommen worden sein, der ehemaligen Freundin Epsteins, die beschuldigt worden ist, Minderjährige für dessen Missbrauchsring rekrutiert und instruiert zu haben. Sie ist im Hintergrund des Fotos zu sehen. Die 57 Jahre alte Tochter des in Ungnade gefallenen und 1991 unter rätselhaften Umständen bei den Kanarischen Inseln ertrunkenen Verlegers Robert Maxwell kennt den Herzog von York seit ihrem Studium in Oxford. Durch sie lernte er Epstein kennen. Als ihr Freund war er mehrfach bei königlichen Veranstaltungen eingeladen.
Nicht in seiner Natur
Als Emily Maitlis in diesem Zusammenhang von einem Geburtstagsessen für Ghislaine Maxwell in Sandringham, dem königlichen Anwesen in Norfolk, sprach, berichtigte sie Prinz Andrew, es sei eine „gewöhnliche Jagd“ gewesen. Gegen das Foto wandte er ein, es sei schon deswegen fragwürdig, weil er stets einen Anzug mit Krawatte trage, wenn er in London ausgehe. Auf dem Bild ist er jedoch mit offenem Hemd und ohne Jacke zu sehen. Außerdem scheine es oben in Ghislaine Maxwells Haus aufgenommen worden zu sein. Er glaube nicht, jemals nach oben gegangen zu sein. Der Prinz sagte von sich, dass Umarmungen und öffentliche Gefühlsausdrücke nicht in seiner Natur lägen.
Nach der Darstellung von Virginia Robert Giuffre tanzte sie in London mit dem schweißgebadeten Prinzen in dem Nachtclub Tramps, bevor er mit ihr Geschlechtsverkehr hatte. Der Prinz behauptete, an dem betreffenden Abend mit seiner Tochter in einem Pizza-Restaurant außerhalb von London gewesen zu sein. Das sei ihm noch in so genauer Erinnerung, weil es äußerst ungewöhnlich für ihn sei, in Woking ein Pizza-Lokal aufzusuchen.
Er könne auch nicht geschwitzt haben, denn er habe damals aufgrund einer im Falkland-Krieg erlittenen Überdosis an Adrenalin einen seltsamen medizinischen Zustand gehabt, der das Schwitzen verhindere. Der Frage, ob er bereit sei, unter Eid auszusagen, wich der Herzog von York aus. „Ich werde den ganzen zur Verfügung stehenden juristischen Rat nehmen, bevor ich so etwas tun würde.“ Wenn es „hart auf hart“ komme und die Anwälte zurieten, „würde ich verpflichtet sein, es zu tun“.
Am eindringlichsten waren die Fragen über den Besuch des Prinzen bei Epstein in New York, nach dessen Verurteilung als Sexualverbrecher. Der Prinz erklärte, er sei zu ihm gereist, um ihm persönlich mitzuteilen, dass er die Freundschaft abbrechen müsse, weil es unangemessen für ihn sei, mit einem Straftäter gesehen zu werden. Im Nachhinein sei das ein Fehler gewesen, doch sei sein Urteil wahrscheinlich gefärbt worden „durch seine Neigung, zu anständig zu sein“.
Warum aber habe er vier Tage bei Epstein übernachtet, wollte Emily Maitlis wissen. Es sei ein praktischer Ort gewesen, meinte Prinz Andrew. Ob ihm denn nicht das ständige Kommen und Gehen junger Frauen aufgefallen sei, von dem andere berichtet hätten? Dazu sagte Prinz Andrew, dass er im Buckingham Palace in einer Institution lebe, in der Angestellte dauernd herumliefen. Er wolle nicht großkotzig klingen, aber in Jeffrey Epsteins Haus seien sehr viele Menschen herumgelaufen. „So weit mir bewusst war, waren es Angestellte.“
Emily Maitlis konnte ihr Erstaunen nicht verbergen, als der Prinz auf die Frage, ob er Schuld, Bedauern oder Scham empfinde über sein Verhalten und seine Verbindung zu Epstein, antwortete, er bedauere, dass Epstein sich „unziemlich“ verhalten habe. „Unziemlich?“, protestierte sie. „Er war eine Sexualstraftäter.“