Lou Bega im Gespräch : „Die Neunziger waren ein Jahrzehnt voller Hoffnung“
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„Fluch und Segen zugleich“: Der Hit „Mambo Number 5“ machte Lou Bega 1999 weltberühmt. Bild: Mischa Lorenz
Der Song „Mambo Number 5“ macht ihn 1999 berühmt. Nun veröffentlicht Lou Bega ein neues Album. Im Interview spricht der Sänger über die Neunziger, seinen ersten Hit, und den Einfluss seiner ugandischen und italienischen Wurzeln.
Herr Bega, „90s Cruiser“ ist der Titel Ihres neuen Albums. Wie ist der Titel entstanden, und was macht die Neunzigerjahre so cool?
In den Neunzigern ist in meinem Leben einfach alles passiert. 1990 war ich 15 Jahre alt. 2000 war ich 25. Ich hatte am Anfang des Jahrzehnts meinen ersten Pickel, am Ende haben sich alle meine beruflichen Träume, die ich als Jugendlicher hatte, mehr als erfüllt. Ich konnte Musik machen und davon leben. Doch viel wichtiger ist: So viele gesellschaftliche und weltpolitische Dinge sind in dieser Zeit passiert. Der große Ost-West-Konflikt wurde überwunden, Deutschland ist zusammengewachsen. Es war ein Jahrzehnt voller Hoffnungen, das mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 ein trauriges Ende fand. Mir ist vor einem Jahr bewusst geworden, wie stilprägend diese kurze Epoche war. Das wollte ich teilen, mit denen, die es erlebt haben, und mit denen, die noch nicht auf der Welt waren.
Die Singles „Bongo Bong“ und „Buena Macarena“ sind schon erschienen mit Einflüssen von Ska, Mambo und anderen afrikanischen und lateinamerikanischen Musikstilen. Was hat Sie dazu inspiriert?
Wir waren im Studio und haben einfach probiert und experimentiert. Zu 30 Tracks haben wir Arrangements entwickelt. Nur die Songs, die uns dann gefallen haben, wurden in das Album aufgenommen. Der erste war der „Scatman Song“. Ska spielt darin eine wichtige Rolle. Ska-Rhythmen haben eine ganz besondere Energie, sehr melancholisch, schnell, mitreißend.
Wie kam es zur Idee für das Album?
2018 entstand „Scatman and Hatman“, damit haben wir auf den internationalen Hit „Scatman – ski-ba-bop-ba-bop“ des verstorbenen Scatman John zurückgegriffen. Scatman hat gestottert, das habe ich erst 2018 erfahren. Durch seinen Stotterer-Fanklub, der uns anschrieb, bin ich auf seine Lebensgeschichte aufmerksam geworden. Trotz seiner Einschränkung hat er grandiose Musik gemacht. Es gibt nicht viele Vorbilder, die stottern. Die Idee mit dem Album war auch ein Andenken an ihn, und der Song war der Aufschlag. Ein Album hatten wir da noch nicht im Kopf. Wir hatten auch kaum Budget. „Scatman and Hatman“ war dann weltweit sehr erfolgreich, selbst in Taiwan und Mexiko. Es war für uns einfach Schicksal, dass wir uns auf die Neunziger und die Musik der Zeit stürzten. Es hat großen Spaß gemacht, nicht nur zu covern, sondern die Songs weiterzuentwickeln und einen Teil von sich selbst in die Lieder zu stecken. So sind dann die Plattenfirmen aufmerksam geworden und haben uns gesagt: „Macht das doch!“
„Mambo Number 5“ ist auch heute noch erfolgreich. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem größten Hit?
Diese Frage wird mir seit Jahren gestellt, und ich beantworte sie je nach Stimmung und Lebenssituation unterschiedlich. Es ist Fluch und Segen zugleich. Momentan, auch weil ich mich gerade wieder mit dem Jahrzehnt auseinandersetze, betrachte ich es eher als Segen. Mein heutiges Verhältnis zu dem Song ist deutlich positiver als vor zehn Jahren. Der Druck, etwas Neues zu schaffen und noch mehr zu schaffen, ist nicht mehr so da. „Mambo Number 5“ ist der Song meines Lebens. Bei ihm haben alle Elemente eine Symbiose ergeben – die Musik, die Lyrics, der Zeitpunkt. Jetzt weiß ich das. Mit 25 war mir das nicht bewusst.
Was meinen Sie damit?
Der Song hat mir Türen aufgestoßen. Ich durfte in so viele Länder reisen und an unterschiedlichsten Projekten arbeiten. Er hat mir alles danach ermöglicht.
Was haben Sie in den Jahren zwischen „Mambo Number 5“ und dem neuen Album gemacht?
Das Gleiche, was ich immer schon gemacht habe. Jedes Jahr 40 bis 50 Gigs gespielt – in Europa, Südamerika, Asien. Ich habe Musik für Filme komponiert und für Computerspiele. Ich war auch immer ein Song- und Textschreiber.
„Bongo Bong“ ist ein Cover von Manu Chaos gleichnamigem Song, der wie „Mambo Number 5“ 1999 herauskam. Warum haben Sie den Song ausgewählt?
Das war totaler Zufall. Ich habe den Song immer gemocht. Aber 1999 war ich selbst so beschäftigt, dass ich den gar nicht auf dem Schirm hatte. Als wir die potentiellen Lieder für das Album durchgingen, wurde mir klar, dass der Song mit „Mambo Number 5“ in den Charts war. Da haben wir gedacht, den müssen wir aufnehmen. Das Lied ist natürlich eine Herausforderung. Manu Chao ist ein fantastischer Künstler mit toller Stimme. Ich bin gespannt, ob das Neuarrangement den Leuten gefällt.
Sie haben wieder mit dem Produzenten Roland Spremberg zusammengearbeitet.
Ja, mit ihm hatte ich schon beim „Scatman Song“ zusammengearbeitet. Es war direkt eine Chemie da.
Leben Sie momentan in Deutschland?
Gerade lebe ich im Dreiländereck zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland.
Sie sind in Deutschland geboren und haben ugandische und italienische Wurzeln. Sind die musikalischen Traditionen und Stile dieser Länder auch mit in das neue Album eingeflossen?
Unbewusst mit Sicherheit. Man hat mir vor vielen Jahren gesagt, dass ich einen sehr italienischen Stil beim Songschreiben und eine raue, italienische Stimme habe. Die Leute denken da an die klassischen Schlagersänger aus der Zeit nach dem Krieg. Der ugandische Rhythmus, der Ska und der Reggae stecken mir im Blut. Es ist diese grundlegende Lebensphilosophie, die sich auch in der Musik niederschlägt. Ein wenig wie beim Song von Balu, dem Bären aus dem „Dschungelbuch“, so einen Vibe meine ich: Menschen für sich gewinnen, vielleicht auch flirten, manchmal nicht so korrekte Sachen sagen, aber alles mit einem Augenzwinkern.
Sie machen mit Ihrer Frau auch Gospelmusik und haben sich vor vier Jahren taufen lassen. Welche Rolle spielt der Glaube für Sie?
In meinem Leben spielt er eine sehr wichtige Rolle. Der Glaube gibt mir Halt und Kraft, durch meinen Alltag zu kommen, die Täler zu durchschreiten. Ich teile das mit meiner Frau. Wir singen gerne Gospel zusammen, um unser Glück zu lobpreisen. Jede Musik kommt vom Glauben – die Lust zu tanzen, zu singen, sich auszudrücken, das alles hat auch viel mit Religion und religiösen Praktiken zu tun. Jede Musik kommt von Gott.
Wie sind Sie durch die Corona-Pandemie gekommen? War es schwierig für Sie als Musiker?
Ja, natürlich! Meine letzte Show war im März 2020. Dann gab es keine Bookings mehr. Wir haben mit der Band aber natürlich weitergearbeitet, Songs geschrieben und Musik gemacht. Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht, habe reiten gelernt und war viel in der Natur.
Welches musikalische Jahrzehnt wird das nächste Retro-Jahrzehnt, auf das wir zurückblicken werden?
Gute Frage. Persönlich fände ich es interessant, wenn die Zwanzigerjahre musikalisch zurückkämen, die Wilden Zwanziger in ihrer ganzen Palette – Musik, Mode und Stil. Wir sind ja jetzt wieder in den Zwanzigern, das wäre spannend.