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Bloß keine Belehrung! : Museumsführung mit einem Kunstfälscher

  • -Aktualisiert am

Kennt sich mit Maltechniken aus: Wolfgang Beltracchi erklärt Schülern seine Bilder, die den Werken großer Künstler nachempfunden wurden. Bild: Lucas Wahl

In Hamburg begeistert ein Museumsführer Jugendliche für Kunst. Doch der Mann ist ein veritabler Kunstfälscher. Kann und darf er Kindern etwas über Kunst erzählen?

          6 Min.

          Nach zwei Stunden im Schnelldurchgang durch 2000 Jahre europäischer Kunstgeschichte steht Wolfgang Beltracchi im Foyer der Barlach Halle K in Hamburg, bedankt sich artig für das Interesse seines jungen Publikums und endet mit den Worten: „Ich hoffe, ich habe euch nicht allzu sehr deprimiert.“

          Vor ihm stehen knapp 40 Schüler des Hamburger Wilhelm-Gymnasiums, die allermeisten aus der 11. und 12. Klasse; aber auch ein paar Jüngere sind gekommen. Ella zum Beispiel, 12 Jahre alt aus der siebten, die mit Abstand Kleinste von allen. Und die Selbstbewussteste.

          Die Schülerin zeigt keine Scheu vor dem Mann, der einst den Kunstmarkt genarrt hatte wie keiner vor ihm und als „Jahrhundertfälscher“ in die Kunstgeschichte eingehen wird.

          Erklärungen vom Metameister

          Die Hamburger Ausstellung „Kairos – Der richtige Moment“ scheint wie gemacht für Beltracchi, der von sich behauptet, er könne jede beliebige Handschrift eines großen Meisters nachempfinden. Der Münchner Unternehmer und Kunstförderer Christian Zott gibt ihm mit seiner „Kairos“-Idee die perfekte Spielwiese.

          28 zum Teil großformatige Gemälde stellvertretend für die wichtigsten Stilepochen aus 2000 Jahren europäischer Kunst – von der römischen Antike bis zum Surrealismus Mitte des 20. Jahrhunderts –, und Beltracchi malt in der Handschrift von Caravaggio und Campendonk, Turner, Monet und Klimt, Picasso und Beckmann.

          Ella und die „Kunstprofiler“ – Teilnehmer an dem vertiefenden Kunst-Bildungsgang ihrer Schule – sind gekommen, um sich vom Metameister Beltracchi die Bilder erklären zu lassen, die die Meister selbst nie gemalt haben und bei denen Historiker sich gefragt haben, warum eigentlich nicht.

          Die Schüler des Wilhelm-Gymnasiums sind Teil eines in Deutschland einmaligen Projekts, das in Kooperation mit dem Bucerius Kunst Forum entstanden ist und die Schwellenangst von Kindern und Jugendlichen vor Kunst abbauen soll. Unter dem Motto „Schüler führen Schüler“ bieten die Kunstprofiler zweimal wöchentlich selbst Führungen durch die Ausstellung an. „Das ist genau der unverstellte, fast spielerische Blick auf Kunst, um den es mir geht“, sagt Initiator Zott. „Jeder darf alles fragen und alles sagen, ganz ohne Angst und Häme. Diesen Spirit in der Kunst brauchen wir im ganzen Land.“

          Im Bann des charismatischen Erzählers

          „Und, was macht ihr so bei euch im Kunst-LK?“, fragt der siebenundsechzigjährige Beltracchi scheinbar ganz unschuldig zu Beginn des Rundgangs. Beltracchi trägt lila Strickjacke, gelbes Hemd, rote Stoffhose und einen braunen Hut mit breiter Krempe. Ella quiekt ein spitzes „Malen!“ hervor; sie war zwar nicht gemeint, Beltracchis Aufmerksamkeit hat sie von jetzt an trotzdem. „Kunstmachen als Beruf sollte man eh vermeiden. Ist doch kein Beruf, kann man ja nicht von leben“, fährt er fort. Und: „Malen ist wie Spitzensport. Wer da mit 17 erst richtig anfängt, ist eh schon zu alt!“, Bumms. Als Kinderpsychologe hätte es Beltracchi wohl nicht so weit gebracht.

          Das erste Bild der Ausstellung, eine namenlose Ikone aus dem 9. Jahrhundert, die einen Schüler des Apostels Paulus zeigt, ist zugleich die erste Ikone seiner langen Karriere. Beltracchi ist ein charismatischer Erzähler, das wird schnell deutlich. Er streift mit wenigen Worten den historischen Bilderstreit im alten Byzanz, erzählt vom dargestellten Dichter Dionysios Areopagites und seinen Schriften und erklärt die Maltechnik der Enkaustik, die für ihn nicht viel hergebe, so Beltracchi, „dafür hält das verwendete Blattgold die nächsten 2000 Jahre“.

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