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Joachim Gaucks Sohn Christian : „Er war für uns selten der Vater“

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Wie verkraftete die Familie das?

Meine Mutter hat sehr unter dem Umzug in dieses furchtbare Plattenbaugebiet gelitten. Vorher wohnten wir auf dem Land, jetzt hatten wir fünf Zimmer in einem Neubaublock, und die nicht nur für uns. Dort fand auch der gesamte Konfirmanden- und Christenlehre-Unterricht statt. Da standen dann zehn Paar Stiefel vor der Tür, denn ohne die konnte man sich ja durch die Schlammwüste im Neubaugebiet gar nicht bewegen. Straßen und Fußwege wurden erst später gebaut. Es gab kaum ruhige Momente, bei uns war immer irgendwas los, die Wohnung war immer voll mit Leuten.

Führte das zu Konflikten?

Natürlich. Meine Mutter hat den Haushalt geführt, wir waren damals drei Kinder. Es war selten, dass auch mein Vater mal einkaufen ging. Sie hat oft protestiert und gesagt: „Jochen, das kannst du so nicht machen.“ Wir Kinder erlebten diesen Konflikt, das war unsere Normalität. Wir haben ihn damals wenig gesehen, er war für uns selten der Familienvater, sondern immer unterwegs. Wir sind nicht, wie bei vielen heute üblich, in totaler Harmonie mit ständigen Umarmungen und Küsschen aufgewachsen. Meine Eltern bekamen dann mit 38 noch mal ein Kind, meine jüngste Schwester, da wurde es für uns alle etwas ruhiger.

Haben Sie Ihrem Vater Vorwürfe gemacht?

Ich habe seine Arbeit immer als sinnvoll und wichtig empfunden. Das war harte Aufbauarbeit, eine Gemeinde zu gründen. Ich habe ihn oft begleitet, zu den Freizeiten, den Rüstzeiten. Da merkte ich: Die Leute kommen extra da hin, weil er das macht. Das hat mich beeindruckt. Aber er hat sich damals eben immer mehr für andere als für die eigene Familie eingesetzt.

Selbst dann, als Sie und Ihr Bruder einen Ausreiseantrag gestellt hatten.

Ja, mein Bruder und ich haben uns gewünscht, dass er seine Kontakte aus dem Kirchentagspräsidium zu Richard von Weizsäcker nutzt, damit wir auf eine Ausreiseliste kommen. Für andere hat er das gemacht, für uns nicht. Er hat gesagt: „Christian, ich kümmere mich um Menschen, die es nötiger haben, die inhaftiert sind. Ihr könnt bleiben und hier die Dinge verändern.“ Ich habe das zwar verstanden, war aber unglaublich enttäuscht. So ging mir das damals mit vielen seiner Entscheidungen.

Sie waren 23, als Sie den Antrag stellten. Warum wollten Sie weg?

Es war nicht wegen des Studiums, wie viele denken, sondern ich hatte damals zwei kleine Kinder, und ich wollte keinesfalls, dass sie das durchmachen müssen, was ich in der Schule erleben musste. Diese ständigen Gängeleien und Hänseleien durch einige Lehrer, aber auch Mitschüler, nur weil wir an Gott glaubten und zu bestimmten Dingen eine andere Meinung hatten. Auf dem Dorf ging das alles noch, da waren ja viele kirchlich, aber später in der Stadt, in Rostock, war es unerträglich.

War diese Oppositionsrolle schon als Kind für Sie eine Last?

Ich habe meinen Vater auch als Kind immer verteidigt. Ich war auch nicht traurig oder fühlte mich ausgeschlossen, als ich in der ersten Klasse kein blaues Halstuch wie alle anderen tragen durfte. Ich hatte in der DDR eben, wenn es um Schule, Studium und Beruf ging, immer den „falschen“ Vater. Ich durfte das alles nicht, weil er Pfarrer war, das war auch frustrierend, klar. Aber ich hatte dafür Verständnis. Im Westen war das dann mit der Wende umgekehrt. Hier sprachen die Leute von ihm immer mit Respekt.

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