Im Gespräch: Pierce Brosnan : „Mit meinem Alter Ego muss ich leben“
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Brosnan über seinen Beruf: „Alles, was man hat, ist der Moment. Den einen Film, die Premiere.“ Bild: action press
Er war sieben Jahre James Bond, jetzt macht er wieder andere Filme. Pierce Brosnan über krankmachende Eitelkeit, Unsicherheit, nackte Frauen, seine Ukulele - sowie einen gewissen Geheimagenten.
Sieben Jahre und vier Filme lang war Pierce Brosnan der berühmteste Agent der Welt. Ein Job, der Segen und Fluch zugleich sein kann. Mit seinem Alterswerk versucht der frühere 007 sich neu zu erfinden, wie jetzt als abgehalfterter Showmaster in der Kino-Adaption des Nick-Hornby-Romans „A Long Way Down“. Im Interview erleben wir einen nachdenklichen Filmhelden, der bereit zu sein scheint, loszulassen und sich vom Image des ewigen Beaus zu befreien. Und so legt er gleich los:
Wundern Sie sich nicht über meine Bräune. Ich war nicht im Urlaub, das ist alles Make-up - ein falscher Teint. Wir haben beschlossen, dass der tragische Fernsehmoderator, den ich spiele, unbedingt einen falschen Teint braucht.
Falscher Teint. Die Geschichte Ihres Lebens, oder?
Irgendwie schon. Aber George Hamilton hat sogar eine ganze Karriere auf falschen Teint aufgebaut.
Ihr Ko-Star Aaron Paul hat mir gerade erzählt, Sie seien ein großer Fan der britischen Alternative-Band „Radiohead“. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet.
(Stöhnt) Hat er das erzählt? Naja, wir sind gemeinsam zu diesem „Radiohead“-Konzert gegangen - Aaron, Toni (Collette), Imogen (Poots) und ich. Normalerweise schaffe ich so was gar nicht während der Dreharbeiten. In der Regel esse ich meinen Teller Suppe, und dann geht es ab ins Bett.
Ich konnte Sie bei den Dreharbeiten beobachten. Noch kurz bevor es „Action!“ heißt, führen Sie einen kleinen Tanz auf oder tun so, als ob Sie Golf spielen. Sind Sie immer so tiefenentspannt bei der Arbeit?
Nein, im Gegenteil. Manchmal sind Dreharbeiten schrecklich. Und manchmal ist es dermaßen anstrengend, da würde ich am liebsten weglaufen. Ich kann auch sehr nervös und verkrampft sein. Das passiert immer, wenn ich kein Vertrauen in meine Arbeit habe. Die Szene, die Sie gesehen haben, war eben extrem einfach. Wären Sie eine Woche früher gekommen, hätten Sie einen anderen Eindruck gehabt, denn da ging es wirklich ans Eingemachte. Generell versuche ich, vor der Kamera im übertragenen Sinne nicht mehr so sehr zu schwitzen und alles nicht so eng zu sehen. Ich bin etwas spielerischer geworden. Wenn ich nach all den Jahren etwas gelernt habe, dann die Tatsache, dass ich vor der Kamera gar nicht so viel machen muss. Manchmal muss ich einfach nur präsent sein.
Was interessiert Sie nach all den Jahren noch an diesem Beruf?
Es ist ganz simpel: Ich liebe es einfach, Filme zu machen. Ich finde es wundervoll, auf einem Filmset zu sein. Und es macht mir Spaß, eine Rolle zu haben, zu der ich mir etwas ausdenken kann; mit der ich abends ins Bett gehe und morgens wieder aufstehe. Die Rolle begleitet mich beim Einkaufen, oder wenn ich die Kinder zu Schule fahre. Ich denke ständig darüber nach, wie ich diese Männer spielen soll. Und ich versuche, immer noch besser zu werden. Das Einzige, was ich wirklich schwer finde, ist, so lange getrennt von meiner Familie zu sein, wenn ich zum Beispiel in London arbeite. Dann fehlen mir meine Frau und die Kinder sehr. Wir haben ein sehr enges Verhältnis, und ich habe immer Herzschmerzen, wenn sie nicht da sind. Dafür kann ich in London meine Mutter sehen. Das ist auch schön.
Sie spielen nun einen Moderator, der nach einem Skandal zur „Persona non grata“ wird. Haben Sie Angst davor, irgendwann nicht mehr prominent zu sein?
Ich gestehe ganz offen, als ich mit „Remington Steele“ bekannt wurde, habe ich die Aufmerksamkeit genossen. Wenn die Kinder sagten, mich habe gerade jemand erkannt, wollte ich wissen, wer das war, und habe mich ehrlich darüber gefreut. Am Ende hatten wir ein Code-Wort für solche Situationen, wenn ich irgendwo Aufmerksamkeit erregt habe. Fragen Sie mich bitte nicht, warum, aber wir sagten dann immer „H2O“. Irgendwann hieß es nur noch: „Dad, H2O.“ Und ich wusste Bescheid. Am Anfang war das so ein unschuldiger Spaß. Aber je länger es dauert, desto mehr verändert es sich.
Was verändert sich?
Irgendwann machst du dich selbst krank. Ich konnte meine Eitelkeit nicht mehr ertragen. Und dann wird die Show abgesetzt, und plötzlich interessiert sich auch niemand mehr für dich. Kurz: Ich kenne den Mann, den ich da spiele. Ich hatte keinen Skandal, aber ich kenne das Gefühl, plötzlich nicht mehr im Rampenlicht zu stehen. Da musst du lernen loszulassen. Diese Popularität ist etwas sehr Flüchtiges. Du bist „Bond“, das ist eine Riesensache, und dann macht ein anderer Mann deinen Job. Du wirst immer wieder auf dich selbst zurückgeworfen und musst damit leben.
Wie lebt man damit?
Genieße das Leben, sei glücklich und arbeite. Ich habe das Glück, einen Beruf auszuüben, den ich liebe. Und es hilft, eine Familie zu haben, die dich auffängt. Aber obwohl ich meinen Beruf liebe, sind da immer diese Tage, an denen ich mich nicht wohl in meiner Haut fühle, ein anderer sein will und keine Lust mehr auf mich habe. Trotzdem lastet das ganze Gewicht der Welt auf deinen Schultern, und du musst nett zu allen sein. Und da gibt es natürlich Kollegen, die das in solchen Momenten nicht können und gemein werden. Wenn ich in Gefahr war, den Bodenkontakt zu verlieren, haben mich meine Frau und die Kinder immer wieder runtergeholt. Und ich habe nie meine Erziehung vergessen: irisch-katholisch. Das hat mich geprägt.
Sie sind in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen.
Ja, wir hatten kaum Geld. Aber die Geschichte meiner Jugend muss ich mir für meine Memoiren aufheben. Ich komme mir gerade vor wie bei der Beichte. Ein paar Geschichten muss ich für mich behalten. Aber mein Leben hat sich seit meiner Kindheit in eine sehr positive Richtung entwickelt.
Wann schreiben Sie Ihre Memoiren?
Das ist eine gute Frage! Ich habe bereits einige Aspekte für eine Rohfassung formuliert und mache mir Gedanken, wie das Buch aussehen könnte. Ganz ehrlich? Biographien können so verdammt langweilig sein, weil du immer mit deiner Kindheit anfangen musst. Ich möchte lieber gleich mit dem spannenden Teil anfangen, wie in einem Film von Quentin Tarantino. Du beginnst mit knalliger Action und arbeitest später die frühe Vergangenheit ein. Wie du es drehst und wendest, irgendwie sitzt da in diesem Genre immer der alte Mann, der in Erinnerungen schwelgt. Wenn mir das bewusst wird, denke ich jedes Mal: Mein Gott, wie langweilig. Ich bin ein alter Sack geworden.
Sie sagen, es gab Augenblicke, in denen Sie sich selbst krank gemacht haben. Passiert das nicht zwangsläufig, wenn man ständig mit seinem eigenen Bild konfrontiert wird?
Es gibt diese Phasen, in denen ich in den Spiegel sehe und denke: Das ist er. Diese eigenartige Version von mir. Ich nenne sie meine „Himness“ (von englisch „him“, er). Es ist dieses Image, das ich mit meinen Filmen geschaffen habe. Als junger Schauspieler suchst du eben nach etwas, um dich von den anderen zu unterscheiden. Und irgendwann endest du dann mit diesem Alter Ego, diesem anderen Kerl. Und mit dem muss ich jetzt leben. Aber es gibt Schlimmeres.
Warum hatten Sie nie Skandale?
Als junger Schauspieler wollte ich natürlich den Erfolg, und ich wollte ein Filmstar werden. An das Geld habe ich eigentlich gar nicht so sehr gedacht. Filmstar, das war das Ziel, schon zu dem Zeitpunkt, als ich noch zur Schauspielschule ging, denn ich liebte das Kino und die Schauspieler. Diese ganzen Nebenaspekte, alles, was Potential zum Skandal hat, fand ich weniger interessant. Gut, ich habe schon immer gerne schöne Anzüge, Schuhe und Hemden getragen. Aber darüber hinaus wollte ich nur so werden wie die Kollegen, zu denen ich aufgesehen habe. Und wissen Sie was? Das will ich immer noch.
Sagt der Filmstar. Haben Sie ernsthaft das Gefühl, noch nicht am Ziel angekommen zu sein?
Wissen Sie, alles, was man hat, ist der Moment. Den einen Film, die Premiere. „Golden Eye“ oder „Thomas Crown“. Und dann ist es wieder verschwunden, und du willst es zurück. Weil es so berauschend ist. Und es klingt blöd, aber für mich ist es ein gutes Gefühl, Zuschauer glücklich zu machen. Ich will die Leute antörnen, denn das ist die Freude an der Sache. Ich finde es immer noch phantastisch, wenn Menschen zu mir kommen und sagen: Ich hatte einen grandiosen Abend im Kino, ich mochte diesen Film. Ich finde es ja selbst toll, Kollegen wie George Clooney auf der Leinwand zu sehen oder Matthew McConaughey. Und in solchen Momenten denke ich immer: Ich muss besser werden. Schließlich habe ich eine Verantwortung dem Publikum gegenüber. Die zahlen Eintritt, um dich zu sehen, und dann darfst du sie nicht enttäuschen und musst liefern.
Haben Sie das Gefühl, nicht zu den Clooneys und McConaugheys zu gehören?
Ich gehöre schon irgendwie dazu. Aber ich bleibe auch immer ein Fan. Und dann ist es auch immer komisch, sich zu diesem Stamm der Filmstars zugehörig zu fühlen, weil ich ein sehr abgeschiedenes Leben führe, das sich vor allem um meine Frau und die Kinder dreht. Morgens stehe ich um sechs Uhr auf, laufe im Schlafanzug herum, bringe die Kinder zur Schule, gehe ins Fitnessstudio, gehe mit dem Hund raus, trinke meinen Kaffee, lese die Tageszeitung. Ich lebe in einer Nachbarschaft, die mich gut kennt, weil ich schon lange ein Teil von ihr bin. Und dann sitze ich da und frage mich, was wohl mein nächster Job sein wird. Da existiert sehr viel Normalität, bis ich wieder meine Koffer packen muss und auf Wanderschaft gehe. Das ist eine eigenartige Dualität. Ich komme dann in einem anderen Teil der Welt an, versuche mein Hotelzimmer schnell zu einem Zuhause zu machen und bin nur noch mit Film beschäftigt.
Wie macht man ein Hotelzimmer schnell zum Zuhause?
Also, ich male. Deswegen habe ich oft eine kleine Staffelei dabei, die ich aufbaue. Und dann reise ich immer mit meinen Flöten und der Ukulele. Ich versuche herauszufinden, wo man gut essen kann, wo die besten Restaurants sind. Ich erkundige mich nach Galerien und Museen, und dann versuche ich, möglichst schnell mit den Kollegen warm zu werden, um eine kleine Gemeinschaft zu gründen.
Wo haben Sie Ihre ersten Filme gesehen?
ADa wo ich aufgewachsen bin gab es nur zwei Lichtspielhäuser: das „Lyric“ und das „Palace“. Der erste Film, der mich wirklich beeindruckte, war „Flucht in Ketten“ mit Tony Curtis und Sidney Portier. Dieser schwarze und der weiße Mann aneinander gekettet, es hat mich richtig mitgenommen. Obwohl ich nicht alles verstanden habe, denn ich lebte ja auf dem Dorf und kannte nur das Landleben. Und als ich Irland dann 1964 verlassen habe, sah ich „Goldfinger“, meinen ersten James Bond-Film mit dieser schönen nackten Frau. Mensch, das war phantastisch.
Wollten Sie 007 sein?
Nein, ich wollte Oddjob sein, Goldfingers Gehilfe, und genau so einen Hut haben. Ich war damals noch wirklich unschuldig. Ich war ja erst 15, und alles, was ich dabeihatte, war eine Mappe mit Bildern und Zeichnungen. Das war mein Ticket raus in die Welt. Denn ich wollte nicht Tischler oder Elektriker werden, wie all meine Kumpel. Ich wollte etwas mit Kunst machen. Mein lieber Vater hielt mich für etwas seltsam, das weiß ich. Er war sich nicht ganz sicher, was ich meinte und was er davon halten sollte. Aber er war ein guter Mann. Und es gab sowieso nichts, was mich hätte aufhalten können. Als ich die Schauspielerei entdeckt hatte, war es um mich geschehen. Mit 17 ging ich zu einem Workshop im „Oval House Theatre“ in Süd-London, ohne zu wissen, was das überhaupt ist.
Was passierte da?
Ich hatte Angst, aber gleichzeitig war es auch unglaublich aufregend. Da war dieser große schwarze Raum, wir mussten uns auf den Boden legen, die Augen schließen und summen. Dann haben wir mit geschlossenen Augen die Gesichter der anderen ertastet. Ich dachte: Das ist großartig! Mensch, diese Frauen sind schön! Erst habe ich experimentelles Theater gemacht. Es war fremd, aber ich habe mich sofort wohl gefühlt.
Fühlten Sie sich da zum ersten Mal in ihrem Leben frei?
Ja, denn ich war katholisch erzogen worden. In der Kirche ging es immer um Scham. Wenn du dies oder jenes tust, bist du ein böser Mensch. Und auf einmal war alles für mich möglich. Und was immer da in mir brannte, durfte ich plötzlich herauslassen. Mein erster Auftritt war in „Der kleine Prinz“.
Sie haben im Leben einige Schicksalsschläge erlebt. Woher haben Sie immer wieder die Energie genommen, um sie zu verarbeiten?
Das ist schwer zu sagen, ich bin nun einmal aus diesem Holz geschnitzt. So seltsam es klingt, aber da ist immer noch dieser katholische Glaube in mir. Und der hat mir über die Jahre sehr geholfen. Ich bin gläubiger Katholik. Und auch, wenn meine ganze Welt auseinanderfiel, habe ich weitergemacht. Vielleicht ist das auch typisch irisch. Außerdem genieße ich immer das Leben und die Menschen, auch wenn die Zeiten hart sind. Wir wollen doch alle glücklich sein, oder? Und du musst einen Weg finden, wenn es gerade mal nicht gut läuft, wenn keiner etwas von dir wissen will und man deine Arbeit für großen Mist hält. Dann muss man stark sein.