Bilder ungewöhnlicher Grabsteine : „Rockgitarren statt Jenseits“
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Ungewöhnliche Grabsteine wie diesen haben zwei Soziologen für einen Bildband fotografiert. Bild: Benkel/Meitzler
Moderne Grabsteine haben teilweise ungewöhnliche Motive. Zwei Soziologen haben 30.000 Fotos davon gemacht. Bleibt die Frage: Wieso?
Herr Benkel, Herr Meitzler, Sie haben mehr als 500 Friedhöfe besucht und ein Buch darüber geschrieben. Was finden Sie so interessant an Grabsteinen?
Meitzler: Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft. An vielen modernen Gräbern kann man sehen, dass die Religion eine geringere Rolle als früher spielt. Es gibt auf neuen Grabsteinen heute viel weniger Bibelsprüche, viel weniger Aussicht auf das Jenseits. Statt dessen wird auf das Leben des Verstorbenen zurückgeblickt - zum Beispiel auf seine Hobbys oder Einstellungen.
Benkel: Die Steine zeigen den sozialen Wandel, hin zu immer mehr Individualisierung. Die einzigartige Biographie der Menschen wird auf Grabsteinen zunehmend zelebriert, das gibt der traditionelle Grabstein, der den Einzelnen als Teil eines Kollektivs darstellt, nicht her.
Gibt es dabei regionale Unterschiede?
Meitzler: Ja. Es gibt Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen West und Ost. Die Großstadt ist der Vorreiter bei der Individualisierung. Aber in kleinen Städten finden wir auch schon zunehmend Grabsteine mit Fotos von den Verstorbenen.
Benkel: Oder wir haben zum Beispiel Grabsteine mit QR-Code, den man mit dem Handy einscannen kann und der dann auf eine Homepage verweist, gesehen. Sogar auf Dorffriedhöfen. Die kleinen Ortschaften greifen die Trends der Städte früher oder später auf.
Wie viele Fotos haben Sie bis jetzt gemacht?
Benkel: Zirka 30 000. Und das Projekt läuft weiter.
Meitzler: Es ist zu einer Leidenschaft geworden. Der Friedhofsgang ist obligatorisch, wenn wir in eine fremde Stadt kommen. Daneben forschen wir generell zum Thema Tod und Gesellschaft.
Welche Trends gibt es denn bei der individuellen Gestaltung von Grabsteinen?
Meitzler: Was die Motive angeht, haben wir zum Beispiel Raumschiffe, Motorräder, Comicfiguren oder Rockgitarren gefunden. Es dominieren ganz klar die Hobbys. Früher hatte man dagegen meist das Kreuz auf dem Grabstein. Weniger wird auch der Verweis auf einen bestimmten Beruf, weil Berufe heute keine feste Konstante mehr im Leben der Menschen sind. Was es auch oft gibt, sind Tiere, die symbolisch für gewisse Eigenschaften stehen. Zum Beispiel Löwen oder Elefanten. Es werden aber auch Haustiere dargestellt.
Benkel: Außerdem gibt es Mottos, die nachträglich einem Leben zugeschrieben werden. Grabsteine geben heute oft einen intimen Einblick in die Vorlieben und Einstellungen des Verstorbenen. Überraschenderweise auch in Negatives, in nicht erbrachte Leistungen oder in ein persönliches Scheitern.
Wie sollen Ihre eigenen Gräber mal aussehen?
Meitzler: Schwer zu sagen. Ich würde es schon auch gerne individuell haben, aber es sollte etwas sein, was wir noch nie gesehen haben. Und es dauert hoffentlich noch ein Weilchen, bis ich mich dahingehend entscheiden muss.
Benkel: Oft entscheiden ja auch nicht die Sterbenden, sondern nach deren Tod die Angehörigen. Allerdings gibt es auch da Ausnahmen. Wir haben das Grab eines Paares gesehen, da ist auf dem Grabstein ein Foto der beiden, wie sie Hand in Hand dastehen. Und die Namen und Geburtsdaten stehen auch schon drauf. Nur die Todesdaten fehlen. Denn die beiden leben noch.