Florence Brokowski-Shekete erzählt im Interview, wie sie mit Alltagsrassismus umgeht. Bild: Tanja Valérien
Diskriminierung im Alltag : „Beim Wort Rassismus zucken die Leute gleich zusammen“
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Mit welcher Hautfarbe passt man in die erste Klasse der Bahn? Die Autorin Florence Brokowski-Shekete spricht im Interview über Alltagsrassismus und Sensibilisierung.
Frau Brokowski-Shekete, Sie sind Schulamtsdirektorin, Autorin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation. Vor Kurzem haben Sie in einem Post Ihrem Ärger über einen alltagsrassistischen Vorfall bei der Deutschen Bahn Luft gemacht. Was war passiert?
Ich war nach einem Termin bei meinem Verlag und einer Podcast-Aufnahme auf dem Rückweg von Berlin nach Mannheim. Kaum war ich in den Zug eingestiegen und auf dem Weg in die erste Klasse, sprach mich eine Mitarbeiterin an: „Da geht es in die erste Klasse, die zweite Klasse ist dahinten.“
Sie hatten ein Ticket für die erste Klasse.
Genau. Nun bin ich nicht sehr empfindlich, aber darüber habe ich mich dann doch gewundert: Warum dieser Hinweis? Ich habe weder gefragt noch einen suchenden Eindruck gemacht, es gab eigentlich keinen Grund, mir den Weg in die zweite Klasse zu weisen. Das habe ich der Zugbegleiterin so auch gesagt, ich wollte ihr die Gelegenheit geben, das wieder einzufangen. Nun hätte es natürlich sehr viel Mut und Reflexion gekostet zu sagen: Da bin ich in ein Fettnäpfchen getreten. Sie hat allerdings nur pampig reagiert. Ich glaube, sie hat sich ertappt gefühlt. Daraufhin mischte sich eine zweite Kollegin ein: Man habe mir doch nur freundlich den Weg weisen wollen. Nur: Warum? Das ging dann etwas hin und her, bis eine dritte Kollegin, die Zugchefin, dazukam – und losgebrüllt hat: „Schluss jetzt! Wir wollen jetzt einfach unsere Arbeit machen!“ Plötzlich wurde ich als Querulantin dargestellt.
Dabei haben Sie es vermieden, sie direkt auf Rassismus anzusprechen.
Bei dem Wort Rassismus zucken die Leute gleich zusammen und streiten es ab. Wer möchte schon damit in Verbindung gebracht werden? Aber jeder Mensch ist mit Diskriminierungsstereotypen sozialisiert, auch ich. Das muss man sich bewusst machen und reflektieren. Im Jahr 2022 sollte man so sensibel sein, dass man sich nicht gut fühlen muss, nur weil man das N-Wort nicht mehr ausspricht. Es kommt auch darauf an, wie man miteinander spricht. Der Unterschied zwischen „Da geht es in die erste Klasse, die zweite Klasse ist dahinten“ und „Welchen Waggon suchen Sie?“ sollte jedem klar sein.
Wie haben Sie sich in diesem Moment gefühlt?
Ich war drauf und dran, den Zug zu verlassen. Ich fühlte mich den Mitarbeiterinnen und ihrem Verhalten ausgeliefert. Es war so herabwürdigend, beleidigend. Sie haben mir signalisiert: Ich bin ein Fehler, ich bin falsch. Aus rein praktischen Gründen bin ich dann an Bord geblieben – mit dem nächsten Zug wäre ich erst nach Mitternacht in Mannheim angekommen, meine Platzkarte wäre verfallen. Stattdessen habe ich den Post abgesetzt, dabei habe ich sowas bisher noch nie gemacht. Aber mich hat es geärgert, dass es überhaupt keine Gesprächsbereitschaft gab.
Wie ging die Fahrt weiter?
Nach der Ticketkontrolle kam die zweite Kollegin zu mir, die zuvor noch versucht hatte, zu vermitteln. Sie hat gefragt, ob sie sich einen Moment zu mir setzen dürfe. Wir hatten dann ein gutes Gespräch, sie wollte meine Perspektive verstehen und hat auch ganz klargemacht, dass der Kunde nicht das Nachsehen haben darf. Ich habe ihr dann auch gesagt: So, wie Sie das machen, dass Sie begreifen wollen, das ist toll. Aber eigentlich hätte natürlich die erste Kollegin oder zumindest die Zugchefin kommen müssen. Die schienen aber mit sich und ihrem Verhalten zufrieden zu sein.