DJ Felix Jaehn : „Es war wie eine Lawine“
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Musik? „Das fühlt sich meistens gar nicht an wie Arbeit, sondern wie mein Hobby“, sagt Felix Jaehn. Bild: Jens Gyarmaty
Der DJ Felix Jaehn ist einer der wenigen Deutschen, die schon einen Nummer-Eins-Hit in Amerika hatten. Ein Gespräch über Heimat, Erfolg in jungen Jahren und die Beziehung zu seinem Handy.
Herr Jaehn, Ihre Haare sind auf einmal so kurz. Haben Sie eine Wette verloren?
Das war in Los Angeles. Wir waren dort, um das Musikvideo zu meiner Single „Cool“ zu drehen. Am Abend vorher haben wir den Regisseur getroffen und über das Video gesprochen. Nebenbei hat er gesagt, dass er für das Video endlich einen Schauspieler gefunden hat, der bereit ist, sich vor der Kamera die Haare zu rasieren. Dann habe ich gesagt: Lasst mich das machen.
Ein Video auf Ihrem Instagram-Konto zeigt Sie mit dem Rasierer.
Ich habe eine Nacht darüber geschlafen und die Haare dann abrasiert. Mit dem Ergebnis bin ich echt happy.
Sie sind 23 Jahre alt und international als DJ erfolgreich. Allein bei Instagram haben Sie rund 250.000 Abonnenten. Spüren Sie einen Erwartungsdruck, was Ihre Postings betrifft?
Wenn überhaupt, ist das ein Druck, den ich mir selbst mache. Bei vielen Sachen habe ich einen sehr perfektionistischen Ansatz. Dann mache ich mich verrückt: Welches Foto nehme ich, welchen Filter, wie kommt das rüber? Ich verbringe manchmal ein, zwei Stunden damit, nur weil ich ein Selfie posten will. Im Nachhinein denke ich mir dann: Okay, das war jetzt echt verschwendete Zeit. Besser einfach posten.
Halten Sie sich auch mal zurück, im Sinne einer digitalen Diät?
Auf jeden Fall. Heute etwa habe ich seit über 24 Stunden auf keinem Kanal etwas gepostet. Abends schalte ich mein Handy bewusst in den Flugmodus. Wenn ich um sieben aufstehen muss und um elf, zwölf ins Bett gehe, dann mache ich um neun den Flugmodus an, damit der Kopf nach dieser Informationsflut des Tages – Social Media, E-Mails, Whatsapp – runterfahren kann. Wenn du im Bett noch irgendwas checkst, das Handy zur Seite legst und denkst, du kannst jetzt gut schlafen, ist das sehr ungesund. Das funktioniert nicht.
Wie wichtig ist Ihnen Ihre Zeit?
Ich muss die Pausen, die ich habe, nutzen oder mir sie nehmen, weil es natürlich wichtig ist, sich auch mal zurückzunehmen und runterzufahren. Ich gucke zum Beispiel so gut wie gar kein Fernsehen und nur wenig Filme und Serien. Die Zeit ist mir einfach zu wertvoll. Eine Serie kann ich genießen, wenn ich einmal krank bin oder wie zuletzt eine Weisheitszahnoperation hatte.
Wie viel arbeiten Sie an einem Tag?
Vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen. Ich habe das große Glück, dass mein Hobby auch mein Beruf geworden ist. Ich kann gar nicht anders, als aufzustehen und über einen Song nachzudenken oder ins Studio zu gehen. Mein ganzes Leben ist mit der Musik verknüpft. Das fühlt sich meistens gar nicht an wie Arbeit, sondern wie mein Hobby. Natürlich gibt es auch mal Tage, wo man zu Hause ist, Kumpels trifft, Fußball spielt und mal keine Musik macht. Aber oft sind meine Tage sehr lang.
Wo sind Sie zu Hause?
Ich wohne an der Ostsee, in einem ganz kleinen Dorf. An der Lübecker Bucht, in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist total ruhig und schön da oben.
Sie haben keine Wohnung in der großen Stadt, etwa in Berlin?
Ich denke schon über eine zusätzliche Wohnung in Berlin nach. Jetzt gerade bin ich für eine Woche hier und übernachte im Hotel. Das ist schon ein bisschen unpersönlich. Mein Hauptwohnsitz und meine Heimat bleibt aber hoffentlich noch lange die Ostsee. Dort sind meine Freunde und meine Familie, da kann ich mich erden und zu den Wurzeln zurückkehren. Genau diese Ruhe brauche ich. Wenn ich nach drei Wochen Amerika-Tour in Berlin-Mitte aufwachen und direkt wieder losziehen würde, wäre das ein bisschen viel.
Ihr Durchbruch kam mit „Cheerleader“. Das Lied des jamaikanischen Sängers Omi war in seiner ursprünglichen Version nicht besonders erfolgreich. Nach Ihrer Bearbeitung war es 2015 ein Nummer-eins-Hit in Amerika. Sind Sie eine Art musikalischer Auto-Tuner, der lahme Kisten flottmacht?
Es gibt auch Remixe, die nennen dann viele eher „Edits“, wo hier und da etwas verändert wird. Das ist dann eine getunte Version. Für „Cheerleader“ fände ich diese Bezeichnung etwas ungerecht. Da ist außer den Vocals nicht viel vom Original übriggeblieben. Das ist in etwa so, als wenn du dir den Motor nimmst und ein komplett neues Auto drumherum baust.
Sie waren nach 26 Jahren und Milli Vanilli der erste Deutsche, der in den Vereinigten Staaten eine Nummer eins hatte. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier gratulierte Ihnen, die „Süddeutsche“ aber fand, Ihr Anteil an dem Erfolg werde „aufgebauscht“.
Omi hat den Song geschrieben und gesungen. Trotzdem ist es ein gemeinsamer Erfolg, weil es eine komplett neue Produktion ist, für die mich damals seine Plattenfirma engagiert hat.
Inwieweit haben Sie Ihren Aufstieg dem Internet und sozialen Medien zu verdanken?
Das Internet, soziale Medien, aber auch Streaming-Angebote waren sehr wichtig. Du kannst einen Song im Computer produzieren und eine halbe Stunde später bei Soundcloud hochladen. Und durch Social Media und Blogs hat man die Chance, seine Musik bekanntzumachen. Ich habe teilweise hundert E-Mails pro Tag an Musikmagazine und Blogs verschickt. Ich habe geschaut: Wer hat etwas über vergleichbare Künstler, über vergleichbare Sounds geschrieben. Dann habe ich die E-Mail-Adresse recherchiert und den Autor angeschrieben. So kannst du anfangen, dich selbst aufzubauen. Das ist eine Möglichkeit, die es dank des Internets gibt.
Der Sänger einer Rockband agiert sich bei Konzerten völlig aus, der Schlagzeuger trommelt, bis der Schweiß in Strömen fließt. Der DJ dagegen spielt seine Stücke auf den ersten Blick nur ab. Was genau ist Ihr Job auf der Bühne?
Das kommt auf den Typ des DJs an. Ich sehe mich auch als Entertainer. Du musst die Energie mitbringen, um so eine große Bühne auszufüllen, musst präsent sein. Ich greife auch mal zum Mikrofon, um die Leute mitzunehmen. Darüber hinaus habe ich mein Livetour-Konzept. Dabei spiele ich selbst Drum und Marimba.
Wollen Sie damit etwas beweisen?
Ich muss mich nicht als Musiker beweisen. Das ist für mich einfach künstlerisch der nächste Schritt, zum DJ-Set weitere Elemente hinzuzufügen. Als DJ ist man an seinen Arbeitsplatz gefesselt. Ich kann nicht fünf Minuten über die Bühne rennen, weil dann die Musik ausgeht. Du kannst die Lieder auch live nicht so sehr verändern.
Welche Möglichkeiten haben Sie?
Es gibt Effekte, Filter, Stimmungen, natürlich die Übergänge, man kann Tracks mixen, das ist das Grundsätzliche. Die Aufgabe liegt aber primär darin, die Leute auf eine Spannung zu bringen: Wann funktioniert welcher Song, welche harmonieren miteinander, sowohl rhythmisch als auch vom Tempo und den Tonarten her.
Sie haben als Kind Geigespielen gelernt. Haben Ihre Eltern Sie zur Musik geführt?
Meine Eltern und meine Brüder sind gar nicht musikalisch. Die Geige war mein eigener Wunsch, auch wenn ich damals erst sechs Jahre alt war. Damals hatte eine Viertklässlerin in meiner Schule Geige gespielt beim Adventskonzert. Ich fand den Klang so schön, und als ich nach Hause kam, habe ich gesagt: Ich will das auch machen. Meine Eltern haben mich dabei unterstützt. Die Streichinstrumente sind auch noch heute meine Lieblingsinstrumente, auch wenn ich das Cello mittlerweile fast schöner finde als die Geige. Das hat etwas mehr Fülle.
Und dann war die Geige irgendwann nicht mehr cool genug?
Mit 14 habe ich damit aufgehört, weil ich parallel Fußball und Tennis gespielt habe und Prioritäten setzen musste. Später habe ich dann zurück zur Musik gefunden, als ich bei Geburtstagsfeiern aufgelegt habe. Ich habe meinen iPod oder mein Handy angeschlossen und gesagt: Dieser Song läuft jetzt. Dann habe ich gemerkt – das macht mir Spaß: Zu überlegen, bei welchem Song tanzen die Leute? Was passt zur Stimmung?
Hatten Sie damals schon das Ziel, eines Tages professionell als DJ zu arbeiten?
Im ersten Stadium nicht. Aber als ich mit 17, 18 angefangen habe, in kleineren Clubs aufzulegen, war das schon ein Traum. Den habe ich dann auch verfolgt. Nach dem Abitur bin ich mit 18 nach London gezogen. Dort habe ich ein Jahr an einem Musik-College Kurse zu Musikkomposition und -produktion, aber auch -wirtschaft belegt.
Dann haben Sie in Berlin ein BWL-Studium angefangen.
Der Gedanke war: Jetzt hattest du dein Jahr, jetzt machst du was Anständiges. Ich war dann zwar eingeschrieben, aber mit dem Kopf immer noch bei der Musik in London. Im ersten Semester habe ich das Studium abgebrochen.
Hatten Ihre Eltern von Ihnen erwartet, dass Sie studieren?
Ja, das kann ich aber auch verstehen. Man kann nicht davon ausgehen, dass man ein Leben lang aus der Tasche der Eltern leben kann. Es wäre einfach nicht gegangen, noch drei Jahre nur Musik zu machen und auf den großen Erfolg zu warten.
Was machen Ihre Eltern?
Sie sind beide BWLer, meine Brüder auch. Sie haben mir jedoch nicht vorgeschrieben, dass ich BWL machen soll. Irgendetwas Handfestes, eine Ausbildung, ein Studium, sollte es aber schon sein.
Nach dem Abbruch des Studiums haben Sie trotzdem voll auf eine Karriere als DJ gesetzt?
Ich hatte einen dualen Studienplatz für Medienmanagement bei einer Plattenfirma. Das war für mich der Kompromiss. Im Dezember 2013 habe ich das Studium abgebrochen, im Oktober 2014 sollte ich dort anfangen. Im August habe ich aber schon meinen Plattenvertrag bei Universal unterschrieben. Dann habe ich bei der Plattenfirma angerufen und gefragt, ob ich das Studium noch mal verschieben kann. Ganz abgesagt habe ich erst ein halbes Jahr später, als „Cheerleader“ Nummer eins war. Einen Plan B zu haben war für mich eine Sicherheit, weil der Erfolg nicht planbar ist.
Was haben Sie früher verdient als DJ?
Eine Getränkemarke. Das ist ein Zettelchen, mit dem man sich an der Bar zehnmal etwas zu trinken holen kann.
Heute trinken Sie bei Ihren Auftritten Wasser. Haben Sie damals auch mal Alkohol getrunken?
Ein bisschen, zwei, drei Bierchen vielleicht, aber nicht mehr. Ich habe es damals schon als Teil einer Professionalität gesehen, fit im Kopf zu bleiben. Du willst einen guten Job machen. Das klingt vielleicht ein bisschen spießig, aber das ist auch für einen DJ wichtig. Da sind so viele Mitarbeiter im Hintergrund, die dafür sorgen, dass die Leute einen guten Abend haben. Ich bin kein Fan davon, dass dann der Künstler ankommt und meint, sich alles rausnehmen zu können. Damals hatte das auch noch eine andere, geringere Intensität. Wenn ich heute bei jedem Gig zwei, drei Bier trinken würde, dann wäre ich Alkoholiker.