Frankfurter Medizinstudent : Ein Krankenhaus für Nepal
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Das Land im Himalaja wird medizinisch schlecht versorgt – ein Frankfurter Medizinstudent kämpft dagegen an. Sein Plan ist ehrgeizig, doch der junge Mann ist hochmotiviert.
Pradip Kumar Yadav wirkt eher wie ein Student denn wie ein Geschäftsmann. Der Zweiunddreißigjährige sitzt zwischen den Bücherregalen der Frankfurter Unibibliothek und lernt für sein Medizin-Staatsexamen, das in wenigen Wochen ansteht. In der Prüfung wird sein Wissen über Krankheitsbilder abgefragt – nicht jedoch sein Wissen darüber, wie man ein Krankenhaus baut.
Für Pradip Kumar Yadav ist das eine zentrale Frage. Er möchte in seinem Heimatland Nepal ein Krankenhaus nach europäischem Standard bauen. Südöstlich der Hauptstadt Kathmandu soll das „Terai-Sapahi-Pradip Hospital“ in sieben Jahren in Betrieb gehen. Dreh- und Angelpunkt soll ein Traumazentrum mit MRT- und CT-Geräten sein. Außerdem sollen bis zu 350 Patienten gleichzeitig in Neurochirurgie, Endokrinologie und Frauen- sowie Kinderheilkunde versorgt werden können. Patienten mit wenig Geld sollen ihre Behandlung mit Hilfe eines hauseigenen Kreditsystems bezahlen können.
„Junge Ärzte sehen in Nepal einfach keine berufliche Perspektive“
Ein Traum – aber in den vergangenen Jahren hat er immer mehr Gestalt angenommen. Für sein Vorhaben hat Yadav schon Mediziner der Goethe-Universität Frankfurt und des Frankfurter Bürgerhospitals gewonnen. 24 Architekturstudenten der „University of Applied Sciences“ in Frankfurt haben im Rahmen ihrer Abschlussarbeit Entwürfe für das Krankenhaus angefertigt. Yadav hat sich einen straffen Zeitplan gesetzt: 2020 möchte er mit dem Bau beginnen, 2025 soll das Krankenhaus in Betrieb gehen, von 2029 an sollen Fachärzte ausgebildet werden können. Das Einzige, was noch fehlt, ist Geld. Der Student hat 25 Millionen Euro für das Projekt veranschlagt. Finanziert werden soll es vor allem durch Sponsoren. Yadav möchte darum demnächst eine Stiftung gründen.
Erst einmal aber reist er mit einem Team aus Ärzten, Architekten und einem Erdbeben-Fachmann in sein Heimatdorf Sapahi in der Region Terai. Dort soll überprüft werden, ob das Krankenhaus auf dem Papier auch so verwirklicht werden kann. Noch gehört das Grundstück verschiedenen Privateigentümern, die dem Verkauf erst zustimmen müssen. Doch Yadav ist zuversichtlich. „Das wird kein Problem“, sagt er. „Über das Krankenhaus freuen sich alle im Dorf.“
Im Vergleich zu anderen nepalesischen Dörfern ist Sapahi weit entwickelt. Die meisten der rund 6000 Bewohner verdienen ihr Geld wie Yadavs Eltern als Bauern. Es sei keine Seltenheit, dass junge Leute zum Studieren ins Ausland gingen, sagt er. So auch er selbst: Um sich den Traum vom Medizinstudium zu verwirklichen, kam er vor neun Jahren nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. „Junge Ärzte sehen in Nepal einfach keine berufliche Perspektive.“
Dementsprechend schlecht ist die medizinische Versorgung in der Region. Eines von 29 Kindern stirbt vor dem fünften Geburtstag. Mehr als 2000 Menschen verlieren jedes Jahr bei Verkehrsunfällen auf den veralteten Straßen ihr Leben. Eine gesetzliche Krankenversicherung gibt es nicht. Gute medizinische Versorgung bekommen Patienten nur in Kathmandu. Von Yadavs Heimatdorf Sapahi sind es acht bis zehn Stunden Autofahrt in die Hauptstadt. „Viele Patienten sterben während der Fahrt.“
Hilfe für sein Land
Im Jahr 2015 kam es zur Katastrophe: Ein schweres Erdbeben erschütterte Nepal. Mehr als 10.000 Personen kamen ums Leben, mehr als doppelt so viele wurden verletzt. An medizinischer Versorgung fehlte es überall. Noch heute leiden viele Nepalesen an den Folgen ihrer unbehandelten Verletzungen.
Vielen Opfern hätte man mit einfachsten Mitteln helfen können, sagt Yadav. Doch daran habe es gefehlt. Er war in Deutschland, als die Erde bebte, versuchte danach per Telefon, Hilfe zu organisieren. Schließlich fasste er den Entschluss, ein Krankenhaus zu bauen. Nie wieder wollte er so hilflos Menschen beim Sterben zusehen müssen.
„Wenn ich in Deutschland bleibe, hilft mir das zwar in meinem Leben. Währenddessen gibt es aber in Nepal Millionen Menschen, die Hilfe nötiger haben.“ Am liebsten hätte er sofort mit dem Bau des Krankenhauses anfangen wollen. „Während ich in Deutschland sitze, kann in Nepal ein Unglück passieren.“ Doch Freunde rieten ihm ab und sagten ihm, er solle zuerst sein Studium beenden, eine Basis schaffen.
Und so sitzt Yadav täglich von acht bis 22 Uhr in der Unibibliothek und bereitet sich auf sein Staatsexamen vor. Bis vor kurzem schrieb er zusätzlich noch an seiner Doktorarbeit. Jede freie Minute widmet er jedoch seinem Projekt, seinem Krankenhaus. Mögliche Zweifel schiebt Pradip Kumar Yadav mit einem Achselzucken beiseite: „Wenn ich es nicht mache, wer dann?“