Diplomat gegen Hitler : Ein Aufrechter allein auf weiter Flur
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New York, 1928: Prittwitz mit seiner Frau Marieluise Bild: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes
Wegen Hitler trat der deutsche Botschafter Friedrich Wilhelm von Prittwitz und Gaffron im März 1933 von seinem Washingtoner Posten zurück. Für einen Diplomaten war das damals ein durchaus radikaler Schritt.
Am 16. März 1933 telegraphiert Außenminister Constantin Freiherr von Neurath an Friedrich Wilhelm von Prittwitz und Gaffron in Washington: „Für Botschafter persönlich. Reichspräsident hat auf meinen Vortrag Ihrem Wunsch um Enthebung von Ihrem Posten entsprochen und Ihre z. D.- Stellung genehmigt. Bitte für Reichskanzler a.D. Luther Agrément dortiger Regierung einzuholen. Bitte Vorstehendes zunächst geheim zu halten.“ Ein für die Anfangsphase des „Dritten Reiches“ und für das Auswärtige Amt beispielloser Vorgang verbirgt sich hier hinter den zwei Akronymen z. D. für „zur Disposition“ und a.D. für „außer Diensten“. Zum einen quittiert ein Spitzendiplomat als Einziger wenige Wochen nach der „Machtergreifung“ den Dienst, zum anderen stellt sich ein Spitzenrepräsentant der Weimarer Republik dem neuen Regime als Nachfolger zur Verfügung. Und das Auswärtige Amt legt größten Wert darauf, dass es nur ja nicht zum öffentlichen Eklat kommt, dass alles wie ein Routinevorgang aussieht.
Der Jurist und Reserveoffizier Prittwitz, 1884 in Stuttgart geboren, gehörte dem Auswärtigen Dienst seit 1908 an. Nach dem Kaiserreich trat er 1919 der Deutschen Demokratischen Partei bei, in der er im Sinne von Friedrich Naumann und Max Weber für sozialen Fortschritt und internationale Zusammenarbeit wirken wollte. Damals bewarb er sich vergeblich auf einem Listenplatz um ein Reichstags-Mandat. Von 1921 bis 1927 hatte er verschiedene Funktionen - zuletzt als Vertreter des Botschafters - an der Botschaft in Rom inne. Sein Chef war der Karrierediplomat Neurath, den sich Reichskanzler Franz von Papen im Juni 1932 als Außenminister nach Berlin holte. Neurath blieb auch unter Papens Nachfolgern Schleicher und Hitler im Amt (bis 1938).
Der Botschafter macht sich keine Illusionen mehr
Prittwitz traf im Januar 1928 in Washington ein. Als Botschafter und Stresemann-Vertrauter gelang es ihm, die bilateralen Beziehungen nachhaltig zu verbessern und sich hohes Ansehen zu erwerben, nicht zuletzt durch die von ihm propagierte Idee eines „Weltbürgertums“. Die Politik der von Reichspräsident Paul von Hindenburg abhängigen Präsidialregierungen seit 1930 sowie die hohen Stimmengewinne der NSDAP bei der Reichstagswahl vom Juli 1932 erfüllten ihn mit Sorge. Und seit dem Regierungswechsel vom 30. Januar 1933 und seit der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar, die den Nationalsozialisten die Ausschaltung ihrer politischen Gegner ermöglichte und der Willkür Tür und Tor öffnete, machte er sich keine Illusionen mehr.
Bei der „halbfreien“ Reichstagswahl vom 5. März erzielten die NSDAP mit 43,9 Prozent und der „Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot“ (DNVP und Stahlhelm) mit 8 Prozent eine absolute Mehrheit für ihre Koalition. Am Tag darauf telegraphierte der Botschafter: „Für Reichsminister persönlich. Angesichts der innenpolitischen Entscheidung in Deutschland halte ich es für meine Pflicht, Sie zu bitten, dem Herrn Reichspräsidenten mein hiesiges Amt zur Verfügung zu stellen.“ Neurath erwiderte am 7. März: „Dank für Mitteilung. Muss mir Zeitpunkt für Vortrag bei Reichspräsidenten vorbehalten.“
„Gründe des persönlichen Anstandes“
Am 11. März erläuterte Prittwitz in einem Brief an Neurath seinen Entschluss und sein Wirken in Washington: „Getreu meiner Stellung als Berufsbeamter habe ich während dieser Zeit niemals Sonderinteressen irgendwelcher Art in den Vordergrund gestellt und lediglich versucht, meinem Vaterlande zu dienen.“ Allerdings habe er bei öffentlichen Auftritten aus seiner Einstellung nie einen Hehl gemacht, die „in dem Boden einer freiheitlichen Staatsauffassung und den Grundprinzipien des republikanischen Deutschlands“ wurzele.