Sängerin Namika : Ein freier Mensch, vor allem in der Musik
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Im Lied kritisiert sie den Vater, im Gespräch versucht sie, ihn zu verstehen. Die Trauer darüber, vom eigenen Vater enttäuscht worden und letztlich vaterlos aufgewachsen zu sein, macht sie nahbar. Um die Erlebnisse niederzuschreiben, hat sie ihrer Mutter viele Fragen gestellt. Sie verdankt ihr, dass sie nicht auf die schiefe Bahn geraten ist und trotz schwieriger Kindheit Musik machen konnte. „Natürlich macht man auch mal Mist, probiert sich aus und guckt, wo die Grenzen sind. Aber im Großen und Ganzen hat mir meine Mutter mit sehr viel Liebe und guter Erziehung den Weg gezeigt.“
Von Stutenbissigkeit und Frauenfreundschaften
Gleichberechtigung ist ihr wichtig, ebenso Solidarität unter Frauen. Neid gebe es auch in der Kultur ihrer Eltern. „Aber nicht diese Stutenbissigkeit, wie ich sie hier unter Mädels erlebe.“ Frauenfreundschaften bedeuten ihr viel. In ihrer Youtube-Serie „Alles, was zählt" ist oft ihre beste Freundin zu sehen. In einem der Videos zieht sie zum Lied „Hellwach“ in Partystimmung in einer Frauengruppe um die Häuser Berlins. In der deutschen Hauptstadt wohnt Hanan Hamdi selbst zwar nicht, aber wegen der Arbeit zieht es sie oft dorthin.
Namika versteht ihr Handwerk, und sie hat es geschafft, sich den Standards der internationalen Musikbranche anzunähern. Ihr letzter Ohrwurm „Je ne parle pas français“ wird nicht nur in Deutschland und Marokko gehört, sondern auf der ganzen Welt. Sie freut sich über all die Länder, aus denen Fans schreiben: „Aus Brasilien, der Türkei, Indien, das ist total schön. Und Frankreich mittlerweile auch. Natürlich!"
In Frankreich ist es der Rapperin Marwa Loud („Billet") gelungen, zur Ikone der Jugendkultur zu werden. Sie hat ebenfalls marokkanische Wurzeln, wie auch die französische Sängerin Hindi Zahra (“Stand Up"). Und international hat es besonders der amerikanische Rapper French Montana (“No Stylist") geschafft, der in Casablanca geboren wurde.
Bei starken Frauen aufgewachsen
Namika aber nimmt nicht nur den Flow und die Metaphorik der arabischen Sprache mit. Sie wuchs mit den Klängen orientalischer Musik auf, die sie in ihren Sommerferien in Marokko auf dem Basar aufschnappte. "Es gab eine eigene Straße nur für Musikläden, und in diesen Musikläden waren hinten die Studios, in denen die Musik aufgenommen wurde", erzählt sie. Ihre Clips leben von den Farben, Menschen und Stimmungen Marokkos. Und vom Amazighischen, einem Dialekt, der lange verboten war und sich bis heute erhalten hat. In dieser Sprache singt sie manche ihrer Lieder. Der Name der Sprache, dessen Volk auch in Deutschland unter der Bezeichnung Berber bekannt ist, leitet sich von Amazigh ab, was so viel bedeutet wie "der freie Mensch". Und das ist auch sie, vor allem in ihrer Musik.
Dabei wagt sie nicht nur den Schritt aus dem Rap in den Pop, sondern auch umgekehrt. So hat sie etwa mit den Rappern Soufian und Farid Bang zusammengearbeitet, beide ebenfalls marokkanischer Herkunft. Bevor Farid Bang wegen einer antisemitischen Zeile an der Seite von Kollegah in die Kritik geriet, entstand "Hände", ein Lied über die Liebe zur eigenen Großmutter. Obwohl dem Rapper auch Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wird, sei die Zusammenarbeit super gewesen, versichert Namika. Sie kenne Farid Hamed El Abdellaoui, wie er bürgerlich heißt, schon lange. Er habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie sie und sei ebenfalls ohne Vater bei starken Frauen aufgewachsen.
Hanan Hamdi arbeitet oft mit Männern zusammen. Mit den Beatgees, einem Produktionsteam in Berlin, entstehen ihre Lieder. Die vier Produzenten, allesamt männlich, geben ihr den Raum, den sie als Songwriterin benötigt, und sie respektieren die Sängerin, die weiß, welche Musik sie machen will. Und so wird sie am 31. Mai – noch vor ihrer Deutschland-Tour im Herbst – in Frankfurt auf dem W-Festival singen, das sich nur Musikerinnen widmet, von Suzi Quatro bis Alica Merton.
Hanan Hamdi ist stark, mutig, eigenwillig – und auch deshalb als Namika so erfolgreich.
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