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Das Jahr der Popkultur-Huren : Geh arbeiten, Bitch!

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It’s Britney, Bitch: die Vorreiterin. Bild: REUTERS

Wenn ein Rapper in den Neunzigern so richtig böse sein wollte, bezeichnete er Frauen als „Bitches“. 2013 ist die Bitch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie ein Blick auf die Bitches des Jahres zeigt.

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          Das waren noch Zeiten. Die Neunziger. Die Frau, das Miststück, war nichts wert, hatte nichts zu sagen und durfte im besten Fall noch gehorchen. Seither hat sich was getan. Missy Elliot („Eine Bitch ist ein selbstbewusstes Mädchen“) und ihre deutsche Kopie Lady Bitch Ray waren nur die Vorhut. Nun räkelt sich Britney im silbernen Glitzerbikini in der Wüste und nennt Frauen „Bitch“. Auch andere weiße Sängerinnen haben es in diesem Jahr getan: Lily Allen, Lady Gaga, Icona Pop – und natürlich Miley Cyrus.

          „You wanna hot body / You want a Bugatti / You want a Maserati / You better work bitch.“ (Britney Spears: Work Bitch)

          Schon 2012 nannte sich Britney in „Scream & Shout“ selbst „Britney Bitch“, nun weitet sie ihre Zielgruppe aus. In „Work Bitch“ ist ein Miststück, wer einen hübschen Körper und hübsche Autos haben will und nicht selbst dafür arbeitet. Klingt, als sei Britney die neue Ikone der Emanzipation. Leider nur halbherzig. Im Video spielt sie die altbekannte Domina, die mit lasziv geöffneten Lippen eine Peitsche zielsicher auf den Knackpo einer Tänzerin schlägt. Das bedient eher die Träume von Gangster-Rappern als die von Alice Schwarzer. Textlich bleibt Britneys „Bitch“ eine Versagerin – weil sie nicht für sich selbst einsteht.

          Die Bitch als zielstrebige Powerfrau: Lily Allen.
          Die Bitch als zielstrebige Powerfrau: Lily Allen. : Bild: AP

          „Forget your balls and grow a pair of tits / It’s hard, it’s hard, it’s hard out here for a bitch.“ (Lily Allen: Hard out Here)

          Eine Ode an die Frau! Es ist hart da draußen für Bitches, weil einige Männer immer noch nicht verstanden haben, dass Frauen weder in der Küche stehen noch als Objekt behandelt werden wollen. Erzählen Männer über ihr Sexleben, regt das niemanden auf. Erzählen Frauen davon, werden sie als Schlampen abgestempelt. Leider schaffen es auch Allens Tänzerinnen nicht über den obligatorischen Leder-Mini hinaus. Die Bitch aber, die ist für sie eine ganz normale, zielstrebige Frau. So lautet dann auch die schönste Zeile im Song: „Ich muss nicht mit meinem Hintern für dich wackeln, weil ich ein Gehirn habe.“ Chapeau!

          Wer von beiden wohl die nineties bitch ist: Icona Pop.
          Wer von beiden wohl die nineties bitch ist: Icona Pop. : Bild: AFP

          „You’re so damn hard to please, we gotta kill this switch / You’re from the seventies, but I’m a nineties bitch.“ (Icona Pop: I love it)

          Sie passen einfach nicht zusammen. Icona Pop lässt Trennungsschmerz raus und brettert dafür auch schon mal mit einem Auto ins Brückengeländer. Sie selbst ist eine Bitch. Nicht aber, weil sie ihn betrogen oder verlassen hätte. Nö. Der Mann ist einfach nicht zu gebrauchen. Er ist zurückgeblieben. Und sie ist die starke Bitch, die vollkommen zu Recht seinen Krempel die Treppe runterwirft.

          Ihre Model-Bitch ist weder emanzipiert noch eigenständig: Lady Gaga.
          Ihre Model-Bitch ist weder emanzipiert noch eigenständig: Lady Gaga. : Bild: AP

          „Cuz that bitch, she’s so thin / She’s so rich, and so blonde / She’s so fab, it’s beyond.“ (Lady Gaga: Donatella)

          Lady Gaga nimmt ihre Werbeverträge ernst. Bei den MTV Music Awards tauchte sie in dem Kleid von Versace auf, das sie tags darauf in Versace-Anzeigen bewarb. Und sie widmete Donatella Versace gleich noch einen Song auf ihrem Album. Immerhin lässt Gaga sich nicht ganz kaufen, sondern singt darin von magersüchtigen Models, die sich bitte nicht auf den Laufsteg übergeben sollen. Damit fällt ihre sozialkritische Bitch ein wenig aus der Reihe. Der Model-Bitch nämlich kann man weder Emanzipation noch Eigenständigkeit nachweisen. Scheint, als hätte Gaga zur Abwechslung mal keinen Trend erdacht – sondern verpasst.

          Mann, der sich Bitch nennt: der schwedische Künstler Avicii.
          Mann, der sich Bitch nennt: der schwedische Künstler Avicii. : Bild: AP

          „Crazy little bitch we would both agree / Shame on you for loving me.“ (Avicii: Shame on me)

          Ein Mann, der im Jahr 2013 eine Frau Bitch nennt – Skandal! Aber: Der Chauvinismus-Vorwurf führt bei Avicii nicht weit. Der kann sich nämlich gar nicht entscheiden, wer nun die Bitch ist. In der ersten Strophe nennt er noch die Frau so, die ihn betrogen hat, in der zweiten dann schon sich selbst – vielleicht, weil er sie trotzdem liebt? Die Bitch als Neutrum: Das ist Gleichberechtigung par excellence!

          Wer oder was die Bitch ist, weiß keiner: Miley Cyrus.
          Wer oder was die Bitch ist, weiß keiner: Miley Cyrus. : Bild: AP

          „Bang bitch! You think I’m strange bitch? / It’s bananas like a fucking ’rangatang bitch / Don’t worry ’bout me, I got it all arranged bitch / Mind your business, stay in your lane bitch.“ (Miley Cyrus: Do my thang)

          Miley versucht verzweifelt, erwachsen zu werden – nun auch mit Kraftausdrücken. Wer oder was die Bitch ist, bleibt vor lauter Wut leider zwischen den Songzeilen stecken. Vermutlich alle, die ihr nicht glauben wollen, dass sie jetzt ein wirklich nicht mehr braves Mädchen mit einer langen Zunge ist. Unter uns, Miley: leider daneben. Während die Bitch zur emanzipierten Dame geworden ist, bleibst du eine kleine Göre. Also nimm dir ein Beispiel an Britney Bitch und arbeite – und zwar an deinen Songtexten.

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