Frühere Chemtrail-Anhängerin : Das Muster der Verschwörung
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Der Glaube an Verschwörungstheorien werde auch dadurch genährt, dass es in der Geschichte immer Verschwörungen gegeben habe. So habe der amerikanische Geheimdienst CIA in den fünfziger Jahren beispielsweise den iranischen Ministerpräsidenten gestürzt. Dass es 1979 dann entgegen amerikanischer Interessen zur islamischen Revolution kam, zeige, dass Verschwörungen nicht auf lange Sicht aufgingen.
Tatsächliche Verschwörungen seien zudem lokal und zeitlich begrenzt, während Verschwörungstheoretiker oft von gewaltigen weltumspannenden Super-Verschwörungen ausgingen. Je nachdem, wie sehr jemand dazu neige, überall Verschwörungen zu wittern, betrachte er tatsächliche Verschwörungen: Einigen erschien die Watergate-Affäre unter dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon als die Spitze des Eisbergs politischer Verschwörungen. Andere, skeptischere Geister sagten hingegen: Wenn selbst der mächtigste Mann der Welt mit Hilfe anderer nicht mal seinen Gegner abhören kann, ohne dabei erwischt zu werden, und dann zurücktreten müsse: Wie soll dann etwas so Gewaltiges wie die Anschläge vom 11. September inszeniert werden?
Wer dazu neigt, überall Verschwörungen zu wittern, kommt aus diesem Muster nur schwer heraus. „Außer mir kenne ich niemanden, der so am Verschwörungswahn erkrankt war wie ich, dort wieder herausgefunden hat und jetzt öffentlich gegen die Verschwörungsszene aufklärt“, sagt Stephanie Wittschier.
Wittschier befragte Piloten zu Kondensstreifen
Wie gelang ihr der Ausstieg? Hilfreich war eine Bekannte aus einem der Verschwörer-Foren. Sie war schockiert von einer Diskussion darüber, ob man Piloten mit Laserpointern blenden solle, um ihre Chemtrail-Maschinen vom Himmel zu holen. Dieser Aufruf zu Gewalt ging ihr zu weit, und sie begann, an der Szene zu zweifeln, informierte sich auf anderen Seiten, fiel vom Glauben ab. Erst kam es deshalb zum Streit zwischen ihr und Wittschier: „Sie hat geschrieben wie eine Desinformantin, wie ein Troll der Regierung, als hätte man sie gehirnmanipuliert“, erinnert sich Stephanie Wittschier. Doch der Zweifel war gesät. Irgendwann folgte Wittschier ihrem Rat, einmal Piloten zu den vermeintlichen Chemtrails zu befragen. Die erklärten ihr ruhig und unideologisch, warum Kondensstreifen sich über längere Zeit auch in sonst wolkenfreien Gebieten halten können.
Nach und nach stieg Wittschier aus: erst aus der Chemtrail-Szene, dann aus der zu Ufos und zur hohlen Erde. Heute versucht sie, Verschwörungstheoretiker umzustimmen – in Internetforen, wo sie sich am liebsten aufhalten. Aus Verschwörer-Gruppen fliegt sie immer ziemlich schnell raus, weshalb sie eigene Gruppen gegründet hat: eine Aufklärungs-Seite mit Namen „Die lockere Schraube“ und eine gleichnamige Facebook-Seite. Immer wieder trollen dort erboste ehemalige Wegbegleiter mit denselben Worten, die Wittschier früher gegen Zweifler verwendete: Verräterin, Desinformantin, von der Elite gekauft.