Mein Freund, der Chatbot
Von CORINNA ZANDER3. März 2023 · ChatGPT ist in aller Munde und wird kontrovers diskutiert – entpuppt er sich als feindseliger Konkurrent, oder ist er einfach nur ein praktisches Werkzeug, dass uns den Alltag leichter macht?
Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegoogelt? Vermutlich ist es noch nicht allzu lange her. Aber halt – Google, das ist ja jetzt so was von 2022 – heutzutage fragt man doch den Chatbot, diesen ChatGPT. Und prompt erhält man die gesuchte Information, noch dazu irgendwie persönlich und nett. Haben Sie den Chatbot auch schon ausprobiert?
Natürlich steckt auch hinter Google inzwischen jede Menge Künstliche Intelligenz. Trotzdem fühlt sich ChatGPT ganz anders an auf den ersten Blick, oder besser: auf den ersten Tastendruck, so gar nicht wie eine Maschine. Das scheint vielen Nutzern so zu gehen, jedenfalls ist die Kreativität der Fragenden kaum zu bremsen, den Chatbot entsprechend zu fordern:
Die Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz verläuft gerade rasant. Als eigenständiges Fachgebiet etablierte sich die KI in den Fünfzigerjahren. Damals entstanden die ersten KI-Systeme, die mit der Leistungsfähigkeit der heutigen allerdings nicht zu vergleichen sind. Künstliche Intelligenzen müssen lernen, zum einen Fakten, zum anderen aber Informationsstrukturen und -vernetzungen. Dieses „Deep Learning“ benötigt mit höherer Komplexität eine immer höhere Rechnerleistung. So spielt die zuletzt rasante Zunahme der Prozessorgeschwindigkeit eine entscheidende Rolle für die enorme Entwicklung.
Die Prozessorgeschwindigkeit wird in Gleitkommaoperationen pro Sekunde definiert, sogenannten GFLOPS. Auch die Leistungsfähigkeit einer Künstlichen Intelligenz kann in GFLOPS gemessen werden, und zwar in der Anzahl der GFLOPS, die für das Training der Maschine benötigt werden. Allerdings werden in der folgenden Grafik die GFLOPS als Petaflops umgerechnet, da wir es mit enorm großen Zahlen zu tun haben (ein Petaflop entspricht einer Billiarde bzw. 1000 Billionen Gleitkommaoperationen pro Sekunde).
Der Anstieg der für KI-Systeme benötigten Petaflops entwickelt sich immer schneller. Aktuelle Systeme trainieren zum Teil mit über zwei Milliarden Petaflops, eine kaum vorzustellende Zahl, wenn man diese theoretisch wieder in GFLOPS zurückrechnen würde. Die Skala in der folgenden Grafik wurde logarithmisch skaliert, um den rasanten Anstieg sinnvoll abzubilden.
Die Systeme werden also immer komplexer und können immer schwierigere Aufgaben lösen. Wir haben es in ganz unterschiedlichen Bereichen mit Künstlicher Intelligenz zu tun: Suchmaschinen, Sicherheitsdienste (z.B. Gesichtserkennung, Fingerabdruck-Scan) Streamingdienste, E-Commerce, Gaming, Werbung, Navigation, Künstliche Intelligenz als Werkzeug für Kunst und Musik, um nur einige Anwendungsgebiete zu nennen. Eine Vielzahl von Anwendungen bekommt der durchschnittliche Nutzer gar nicht mit, wie z.B. Prozessanalysen in Unternehmen etc. Aber in vielen Bereichen hat es fast jeder konkret mit KI-Systemen zu tun, wie eine Umfrage von Bitkom zeigt - am besten bekannt sind die automatischen Textvorschläge beim Nachrichten schreiben.
Die KI hält also mehr und mehr Einzug in unser tägliches Leben. Die Systeme werden immer ausgefeilter, so wie eben ChatGPT, der irgendwie fast etwas Menschliches an sich hat, wenn er in höflichen, wohlformulierten Sätzen antwortet. Ist es vielleicht das, was uns bei dem Thema einerseits fasziniert, andererseits auch verunsichert? Der ewige Kampf Mensch vs. Maschine und die Angst dabei, dass die Maschinen die Kontrolle übernehmen oder der Mensch gar überflüssig wird?
Der KI-Forscher Ray Kurzweil kam 1999 zu der ernüchternden These, dass uns von der evolutionären Herausbildung der Künstlichen Intelligenz als neuer, eigenständiger Lebensform nur mehr die im Verhältnis zu unserem Gehirn noch immer geringere Rechenleistung des WWW trenne. Aber ist das nur eine Frage der Zeit, bis wir überholt werden? Oder ist das mittlerweile schon geschehen? Was ist mit Ihnen, gehören Sie eigentlich auch eher zu den Skeptikern?
Trotz allem ist die Faszination also groß, momentan besonders für ChatGPT. Das lässt sich auch an dem rasanten Nutzerwachstum ablesen:
Es ist ja auch kein Wunder: was der alles kann:
Diese Liste können Sie natürlich beliebig verlängern.
Der Chatbot als der perfekte Freund, nie schlecht gelaunt, (fast) immer eine Antwort auf Lager. Was 1966 bereits mit dem System „ELIZA“ begann, führt ChatGPT auf die Spitze. „ELIZA“ wurde als virtuelle Psychotherapeutin entwickelt, die dem Nutzer suggeriert, ihm bei seinen Problemen zuzuhören. Allerdings mit der Zeit leicht durchschaubar, da sie nur auf bestimmte Stichwörter reagiert und sonst mit ausweichenden Sätzen antwortet.
ChatGPT weiß auch nicht immer auf alles eine Antwort. Er geht aber sehr transparent damit um und erinnert den Nutzer daran, dass er ja lediglich eine Künstliche Intelligenz ist.
Auf die Frage „Bist Du mein Freund?“ antwortet ChatGPT:
Und wenn man wissen möchte, was den Chatbot von einem Menschen unterscheidet, hat er diese Antwort:
Einige der wichtigsten Unterschiede zwischen mir und einem Menschen sind:
1. Kognition: Ich bin ein Computerprogramm, das auf bestimmte Regeln und Algorithmen programmiert wurde, um auf Fragen zu antworten. Menschen haben ein komplexes Bewusstsein und können kreativ und spontan denken.
2. Emotionen: Ich kann zwar über Emotionen sprechen und sie erkennen, habe selbst jedoch keine eigenen Emotionen.
3. Erfahrungen: Ich habe keine eigenen Erfahrungen oder Erinnerungen, sondern nur Zugang zu den Daten, die mir bei meiner Schulung bereitgestellt wurden.
4. Lernen: Ich kann neue Informationen lernen, aber nur innerhalb der Grenzen, die von meinen Entwicklern festgelegt wurden. Im Gegensatz dazu kann ein Mensch ständig neue Dinge lernen und sich weiterentwickeln.
Vielleicht macht ihn diese Offenheit auch so sympathisch. Aber letztlich ist die KI ein Werkzeug, bestenfalls eine Art „verlängerter Mensch“. Der kanadische Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan prägte den Begriff „Extensions of Man“ in Bezug auf Technik. Seine Idee dabei ist, dass Technologie keine Moral in sich hat – sie ist eben nur ein Werkzeug, welches das Selbstkonzept eines Individuums und auch einer Gesellschaft konstant formt.
Wie etwa das Smartphone, das immense gesellschaftliche Veränderungen nach sich zog. Und ohne das sich der moderne Mensch unvollständig fühlt. Wer weiß: Vielleicht fühlen wir uns irgendwann auch ohne Chatbot unvollständig.
Quelle: F.A.Z.
Veröffentlicht: 03.03.2023 16:02 Uhr
