Streit um Schlagerfestival : Bröckelt in Italien die Solidarität mit der Ukraine?
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Beamte der Carabinieri stehen vor dem Ariston Theater in Sanremo am Vorabend der Eröffnung des 71. italienischen Liederfestivals am 1. März 2021. Bild: AFP
Der italienische Staatssender RAI will den ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf dem Sanremo-Festival eine „Friedensbotschaft“ übermitteln lassen. Dagegen regt sich Widerstand.
Das Schlagerfestival von Sanremo ist ein Hochamt der italienischen Volkskultur. Seit 1951 versammelt sich die Nation Anfang Februar an fünf Abenden vor dem Fernseher und lauscht populärem Liedgut.
In Sanremo haben große und kleine Karrieren begonnen – von Adriano Celentano und Zucchero über Al Bano und Romina Power bis zu Eros Ramazzotti und jüngst dem ägyptisch-italienischen Popsänger Mahmood. Das Festival hat noch immer sagenhafte Einschaltquoten, bis zu 70 Prozent am Schlussabend. Dann wird der Sieger gekürt, der Italien später beim Eurovision Song Contest (ESC) vertritt.
Den ESC gewann im Mai 2022 in Turin die ukrainische Hip-Hop-Band Kalush mit ihrem Song „Stefania“. Der Sieg der Ukrainer wurde durch das überwältigende Zuschauervotum begünstigt – ein Zeichen der paneuropäischen Solidarität mit dem Opfervolk des russischen Überfalls vom 24. Februar 2022. Damit diese Solidarität nicht abkühlen möge, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem italienischen Staatssender RAI, der seit je Sanremo überträgt, die Ausstrahlung einer zuvor aufgezeichneten kurzen Friedensbotschaft aus Kiew für den Schlussabend des Festivals angeboten, die in der Regel von 13 bis 14 Millionen Menschen in Italien angesehen wird.
RAI und Festivalmoderator Amadeus sagten dem „lieben Präsidenten“ freudig zu. Schließlich hatte sich Selenskyj schon bei den Golden Globes sowie bei den Filmfestivals von Cannes und Venedig auf diese Weise zu Wort melden können.
Widerstand aus dem Kultur- und Politikbetrieb
Doch nun gibt es Widerstand, vorab aus der Politik, aber auch aus dem Kulturbetrieb. Der Rechtspopulist Matteo Salvini, ein bekennender Putin-Bewunderer, findet, mit einem Auftritt bei einem Schlagerfestival könne man „keinen Krieg beenden“. Auch der Linkspopulist Beppe Grillo sieht in dem geplanten Auftritt Selenskyjs „reine Kriegspropaganda“.
In einer Petition haben sich zudem Intellektuelle, Diplomaten und Schriftsteller gegen die „Militarisierung“ von Sanremo ausgesprochen.
Die RAI lässt wissen, sie halte an ihrem Plan fest, Selenskyj sprechen zu lassen. Sollte es dabei bleiben, wollen Gegner des Auftritts von Selenskyj vor dem Ariston-Theater in Sanremo, wo das Schlagerfestival stattfindet, demonstrieren. Gegen die Kriegspropaganda aus Kiew. Nicht gegen den Krieg aus Moskau.