Becker gegen Pocher : Wie viel Witz auf seine Kosten muss ein Prominenter aushalten?
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Schon damals gewann Pocher: 2013 trat er gegen Becker bei der Show „Alle auf den Kleinen“ an. Bild: dpa
Vor zwei Jahren hat Oliver Pocher Boris Becker in seiner RTL-Show reingelegt. Der Tennis-Star klagte auf Unterlassung – und verlor am Dienstag vor dem Landgericht Offenburg.
Becker gegen Pocher – das könnte auch der Name einer der vielen Spiele-Shows im Fernsehen sein. Das Duell zwischen dem früheren Tennis-Star und dem Comedian findet am Dienstag aber nur vor einem Dutzend Zuschauern im Landgericht Offenburg statt, und die beiden treten auch nicht persönlich an – Becker sitzt zurzeit in Großbritannien eine zweieinhalbjährige Haftstrafe ab –, sondern überlassen ihren Anwälten den Gerichtssaal.
Boris Becker hat Oliver Pocher auf Unterlassung verklagt. Stein des Anstoßes ist ein Beitrag aus der RTL-Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“, der im Oktober 2020 ausgestrahlt wurde. Im August zuvor hatte der einstige Wimbledon-Sieger seine erste eigene Modekollektion auf den Markt gebracht, einige Wochen später wurden in Großbritannien im Zuge des Insolvenzverfahrens gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Pocher nahm in dem Beitrag beides auf die Schippe. Zunächst rief er zu einer Spendenkampagne für den finanziell angeschlagenen Becker auf: „Make Boris rich again“. Weil es den Reportern – zumindest geht es so aus dem Beitrag hervor – nicht gelang, Becker die Summe von rund 500 Euro persönlich zu überreichen, entschieden sich Pocher und Redaktion für eine Finte: Sie verliehen Becker einen eigens erfundenen „Fashion Brand Award“ für dessen Modekollektion und arbeiteten das Geld in die Trophäe ein. Becker bedankte sich in einer Videoaufzeichnung – und wurde wohl erst mit der Ausstrahlung der Sendung über den eigentlichen Hintergrund aufgeklärt.
Kammer: „Bildnisse der Zeitgeschichte“
Sein Mandant sehe sich durch den sechzehnminütigen Film sowohl „beleidigt als auch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt“, so sein Anwalt. Becker sei bezüglich der Ausstrahlung getäuscht worden und habe dem so nie zugestimmt. Pochers Anwältinnen verwiesen hingegen nicht nur darauf, dass Pocher keinen Einfluss auf den RTL-Sendeplan hat, sondern auch auf Beckers Rolle als Person des öffentlichen Lebens.
Wie viel Witz auf seine Kosten muss ein deutscher Prominenter also aushalten – und wo liegen die Grenzen von Satire? In diesem Fall entscheidet die Kammer: Becker muss Pochers Sendung aushalten. Denn der Ausstrahlung hat er zwar auch nach Ansicht der Richter nicht zugestimmt – diese Zustimmung braucht es aber gar nicht, da es sich um „Bildnisse der Zeitgeschichte“ handelt. Das inhaltliche Thema des Beitrags sei das Insolvenzverfahren, an dem es ein öffentliches Interesse gebe – Becker stehe als langjähriger Tennisspieler, durch anschließende Fernsehauftritte und zuletzt seine Modekollektion in der Öffentlichkeit.
Zwar stehe die satirische Verarbeitung des Themas im Mittelpunkt des Beitrags, er habe aber dennoch einen Informationswert. Auch wenn der Vierundfünfzigjährige getäuscht worden sei – zumindest sei er von einem öffentlichen Auftritt ausgegangen. Pocher habe keine berechtigten Interessen verletzt, eine Herabwürdigung sieht die Kammer nicht. Als „sehr erfreulich“ bezeichnete Pochers Anwältin die Bewertung der Kammer, Beckers Vertreter behielt sich weitere Schritte nach einer Prüfung des Urteils vor, das noch nicht rechtskräftig ist.
Becker ist derweil nicht der Einzige, der rechtlich gegen Pocher vorgeht. Ende Oktober hat auch die Influencerin Anna Adamyan Schritte gegen den Comedian angekündigt. Pocher hatte ihr nach einem Werbeposting auf Instagram unterstellt, Profit aus einer Fehlgeburt zu schlagen. Wie Adamyan berichtete, habe sie daraufhin zahlreiche beleidigende Nachrichten erhalten. „Auch wenn dies für mich schon fast Alltag geworden ist, kann und möchte ich Beleidigungen, üble Nachreden und Anfeindungen jeglicher Art nicht weiter ertragen“, schrieb sie. Pocher, der seine Karriere 1999 als Moderator bei dem Musiksender Viva begann, hat auf der Plattform 1,7 Millionen Follower. Seine Anwältinnen wollten den Fall am Dienstag nicht kommentieren.
Pocher muss bald als Zeuge aussagen
Wegen seines Onlineformats „Bildschirmkontrolle“, in dem der Vierundvierzigjährige sich mit Fehltritten von Influencern beschäftigt und diese gern als „Bratpfanne“ bezeichnet, wird dem Comedian immer wieder Mobbing vorgeworfen. Pocher wies das zurück: „Phantastisch! Ein Hütchenspieler in der Fußgängerzone fühlt sich auch von der Polizei gemobbt. Damit ist alles zu dem Thema gesagt“, sagte er etwa 2020 im Interview mit dem „Playboy“.
Pocher wehrte sich indes vor einigen Wochen erfolgreich gegen einen Post des Comedians Fat Comedy. Dieser hatte ein Video von einem Vorfall im März gepostet, bei dem er Pocher ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen hatte. Anschließend machte er sich mit einem Tier-Video darüber lustig. Wie am Dienstag bekannt wurde, beginnt der strafrechtliche Prozess zu dem Angriff Ende März 2023 in Dortmund.