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Bodensee : Fetisch-Szene feiert auf umstrittenem Erotikschiff

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Domina lässt Schwein tanzen: Erotische Darbietungen im Hafen von Konstanz Bild: picture-alliance/ dpa

Seit 17 Jahren schippern Sado-Maso-Fans eine Nacht lang über den Bodensee. Dieses Mal gab es Streit um die vermeintliche Sex-Party. Nun ist die „MS Schwaben“ doch in See gestochen - und Hunderte Schaulustige sahen zu.

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          Es ist acht Uhr am Abend, als das Schiff aus dem Hafen fährt - bestaunt von Hunderten Schaulustigen, die winken und jubeln. Denn die Gäste an Bord der „MS Schwaben“ haben ein etwas ungewöhnliches Hobby: Sie gehören zur Fetisch-Szene und sind auch dementsprechend gekleidet. Man sieht Stachelhalsbänder und Handschellen, Pferdemasken und Bondageseile, eine Frau ist in einen Käfig eingesperrt. Seit 17 Jahren ist das „Torture Ship“ auf dem Bodensee unterwegs - doch in diesem Frühjahr sorgte die Veranstaltung für viele Diskussionen.

          Kritik an dem Schiff - und einem weiteren Erotikschiff im August - kam unter anderem vom Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er lehnte bereits im Frühjahr die „Vermietung von Schiffen aus der BSB-Flotte für Sex-Veranstaltungen“ ab. Inzwischen klingen die Töne allerdings versöhnlicher: Partyschiffe stünden nicht zur Debatte, nur „Sex-Veranstaltungen“, heißt es bei der Stadt. „Nach den uns vorliegenden Informationen handelt es sich beim Torture Ship um eine Party-Veranstaltung.“

          In der einen oder anderen Ecke wird jemand ausgepeitscht

          Für die Zuschauer an der Anlegestelle ist das Schiff am Samstagabend ein großes Spektakel: Schaulustige fangen mit ihren Kameras Dominas, Sklaven, Peitschen und allerlei phantasievolle Latexgewänder ein. Ingenieure, Ärzte, Bänker oder Marketingprofis feiern gemeinsam ihre Vorlieben. Nicht nur aus dem Ländle, auch aus Kassel oder Berlin reisen die Anhänger von Lack und Leder an.

          Die Fahrt ist verregnet. Dass es stürmt, tut der Stimmung aber keinen Abbruch. In der einen oder anderen Ecke wird jemand ausgepeitscht, alles in allem steht jedoch weniger das Sado-Maso, sondern tatsächlich die Party im Vordergrund. Wobei das ein oder andere Körperteil durch den Nebel auf der Tanzfläche scheint.

          „Das sind Erwachsenenspiele, was wir machen“, sagt eine 39 Jahre alte Heilpraktikerin aus dem Raum Stuttgart. „Die gesellschaftlichen Normierungen, die wir in der Kindheit auferlegt bekommen, werden hier an die Wand geklatscht.“ Die Gesellschaft werde eigentlich immer toleranter, sagt eine Psychiatrie-Krankenschwester aus Rottweil zu der Kritik an dem Schiff. „Aber jetzt gehen wir rückwärts.“

          Zukunft von Sado-Maso-Schiff und Swingerschiff ungewiss

          Das Bestehen des „Torture Ships“ für die nächsten Jahre ist noch ungewiss. „Die Überarbeitung der Richtlinien ist eine Folge der öffentlichen Diskussion“, sagt die Geschäftsführerin der Bodensee-Schiffsbetriebe, Petra Pollini. Das geschehe aber nicht aus „Intoleranz und Prüderie“: Gemäß neu erarbeiteter Grundsätze würden ab Mitte Juli alle Neuverträge für Charterfahrten geprüft.

          Damit stünden beide Schiffe - neben dem Lack- und Lederschiff auch das Swingerschiff im August - auf dem Prüfstand. Deren Betreiber seien als Kunden noch nie negativ aufgefallen, sagt Pollini. Es sei daher überraschend, dass „Teile der Öffentlichkeit Anstoß nahmen“.

          Auch eine 57 Jahre alter Verkäuferin auf dem Schiff kann sich die Aufregung nicht erklären. „Vielleicht denken die, das ist Sodom und Gomorrha, aber das ist es ja gar nicht“, sagt sie. „Das ist wie beim Essen und Trinken: Man muss auch mal den Mut haben etwas Neues auszuprobieren“.

          Denise aus Frankfurt freut sich über die vielen Zuschauer an der Anlegestelle. „Gerade weil es Aufruhr gab, finde ich es schön, dass so viel los ist“, sagt sie. Die junge Frau ist an Bord, um Freunde zu treffen und zu schauen. Die Veranstaltung habe zwar einen „sexuellen Touch, ist aber mehr ein Zeigen und Gesehen werden“, findet sie. Ihr Begleiter fügt hinzu: „In Zeiten, in denen die Toleranz gegenüber allen sexuellen Neigungen groß geschrieben wird, ist es unlogisch, eine total harmlose und freundliche Veranstaltung zu verbieten.“

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