
Sozialer Druck durch Instagram : Liebe dich und deinen Körper!
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Noch vor ein paar Jahren wäre es für Dellert unvorstellbar gewesen, ihre kleinen körperlichen Mängel so freizügig zur Schau zu stellen. Damals eiferte auch sie den dünnen Vorbildern auf Instagram nach. Sie machte dreimal am Tag Sport, verbot sich Schokolade, aß fast nur noch Salat, und den sogar ohne Dressing. Bei einer Größe von 1,63 Metern wog sie nur noch 46 Kilo. Beim Sport kippte Dellert damals manchmal einfach um. Das lag allerdings nicht allein an der körperlichen Anstrengung. Ein Arzt fand heraus, dass ihre Herzklappe nicht dicht war, sie musste operiert werden. Jetzt ging es nicht mehr um Streifen am Oberschenkel oder ein paar Kilo mehr oder weniger auf der Waage. Die Herz-OP ließ Dellert an ihren bisherigen Zielen zweifeln. Als sie nach der Operation sechs Monate lang keinen Sport machen durfte, erkannte sie, dass ihr andere Dinge wichtiger waren als Sport und Abnehmen. „Mir wurde klar, dass ich nur ein Leben habe und dass es viel zu schnell vorbei sein kann. Ich wollte meinen Tagesablauf nicht mehr nach dem Sport richten“, sagt sie.
Es gibt wichtigeres als ein Schönheitsideal
Ihre Geschichte und die Bilder aus der Zeit, als sie hungerte, nutzt Dellert heute dazu, andere Menschen davor zu warnen, denselben Fehler zu machen. Auf ihrem Blog erzählt sie von ihrer früheren Essstörung und wendet sich an ihre Community: „DU hast es verdient zu leben“, schreibt sie. „Und leben bedeutet nicht, einem Schönheitsideal nachzueifern. Leben bedeutet so zu sein, wie du möchtest. Leben bedeutet glücklich zu sein. Leben bedeutet Freude an deinen Hobbys zu haben. Das Leben bist DU! Mach dir dein Leben nicht durch unzählige Gedanken rund ums Essen und den Sport kaputt.“
Die übliche Bildsprache großer Fitness- und Diät-Accounts, die mit Vorher-nachher-Bildern die Abnehm-Erfolge von Frauen dokumentieren, kehrt Dellert um: Sie postet regelmäßig Bilder von früher, auf denen sie abgemagert ihr Sixpack präsentierte, gleich neben einem Bild von heute. Heute sei sie von der Essstörung geheilt, sagt sie. Sie hat einige Kilos zugenommen, das Sixpack ist verschwunden. Stattdessen hat sie einen flachen, aber gesund aussehenden Bauch, kräftige, muskulöse Oberschenkel und ein paar Kurven.
Mit ihrer Botschaft trifft Dellert einen Nerv. Die Zahl der Menschen, die sich für sie und ihre Ansichten interessieren, steigt stetig. Jeden Monat lesen etwa 70.000 User ihren Blog, auf Instagram hat sie mehr als 300.000 Follower. Wenn sie von ihnen spricht, sagt sie „die Mädels“. Ihr folgen vor allem Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren.
Positive Strahlkraft durch Vielfältigkeit
Karin Lachenmeir kennt Dellerts Zielgruppe gut. Die Psychologin leitet das Therapie-Centrum für Essstörungen des Klinikums Dritter Orden in München und hat dort jeden Tag mit Frauen zu tun, die mit ihrem Körper hadern. Als sie sich Dellerts Postings im Netz anschaut, fällt ihr ein Instagram-Bild sofort auf. Frauen mit ganz unterschiedlichen Körpern, manche sehr schlank, andere kräftiger, springen mit Luftballons in den Händen in die Luft und lachen dabei ausgelassen. „Das finde ich ein wunderschönes Modell“, sagt sie. „Da sind alle Körperformen dabei, und alle wirken sehr lebendig und lebensfroh.“ Lachenmeir glaubt, dass Accounts, die für ein unverkrampftes, bejahendes Verhältnis zum eigenen Körper werben, durchaus eine positive Strahlkraft entwickeln können.