Bischof lässt Kathedrale offen : Der Osterprotest von Frascati
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Auch in Italien müssen die Kirchen wegen der Corona-Pandemie geschlossen bleiben. Doch in den Albaner Bergen widersetzt sich ein Bischof der Verfügung.
Frascati ist eines von gut einem Dutzend pittoresker Städtchen in den Albaner Bergen südöstlich von Rom. Die Gegend ist unter der Bezeichnung Castelli Romani bekannt geworden, weil sich seit der Antike Patrizier und reiche Römer in der sanften Hügellandschaft Schlösser und Villen haben errichten lassen, die als „Burgen“ (castelli) bezeichnet wurden. Die berühmteste Stadt in den Castelli Romani ist Castel Gandolfo am Albaner See. Dort befindet sich, auf dem Kraterrand des erloschenen Vulkans gelegen, die Sommerresidenz der Päpste, von welcher sich ein prächtiger Blick auf den See zu ihren Füßen und aufs Meer in der Ferne öffnet.
Frascati hat heute rund 23.000 Einwohner, ist Sitz zahlreicher nationaler Forschungseinrichtungen und des Europäischen Weltraumforschungsinstituts. Die Gegend ist zudem für seinen Weißwein bekannt, der seit Urzeiten auf den vulkanischen Böden der Albaner Berge angebaut wird. Und Frascati ist seit dem dritten Jahrhundert Bischofssitz.
Die Kathedrale „San Pietro Apostolo“, ein wuchtiger Bau aus dem 17. Jahrhundert, dominiert den zentralen Platz der Altstadt von Frascati. Bischof von Frascati ist seit knapp elf Jahren Monsignore Raffaello Martinelli. Ernannt wurde er im Juli 2009 von Benedikt XVI., der Martinelli im Dezember darauf auch in die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan berief. Im Juli 2012 besuchte Papst Benedikt XVI. auf Einladung Martinellis Frascati und feierte auf der Piazza San Pietro vor der Kathedrale die Messe.
Das Tor der Kathedrale in Frascati bleibt offen
Es wäre vielleicht zu viel gesagt, Martinelli als Schüler Benedikts XVI. zu bezeichnen. Aber dem seit 2013 emeritierten Papst dürfte der Bischof von Frascati besonders eng verbunden sein, womöglich enger als dem amtierenden Pontifex. In seinen Predigten, gerade jetzt in der Karwoche, bezog sich Martinelli auffallend oft auf Worte und Gedanken Benedikts XVI., weniger auf die einschlägigen Enzykliken und Gedanken von Franziskus.
Seit Palmsonntag führt Martinelli eine Art Protestbewegung gegen die von der Regierung in Rom wegen der Coronavirus-Pandemie verfügte und von der italienischen Bischofskonferenz unter Führung von Kardinal Gualtiero Bassetti faktisch abgesegnete Schließung aller Kirchen. Während der Petersdom und die meisten Kirchen Roms seit Wochen verriegelt sind, besteht Martinelli darauf, dass das Tor der Kathedrale von Frascati geöffnet bleibt. An Palmsonntag kam es zu einem kleinen Eklat, weil Bischof Martinelli in der Kathedrale bei geöffneten Türen die Messe feierte und nichts dagegen unternahm, also nach und nach drei bis vier Dutzend Gläubige in die Kirche kamen.
Am Ende schritt die Polizei ein, löste die „verbotene Versammlung“ auf und drohte dem Bischof und den Gläubigen eine Geldstrafe von jeweils mehr als 200 Euro an. Tags darauf bot eine örtliche Anwaltskanzlei dem Bischof und den Gläubigen an, sie kostenlos vor Gericht zu verteidigen. Sie wollen, notfalls bis vor dem Obersten Gericht argumentieren, dass das von Ministerpräsident Giuseppe Conte erlassene Dekret zum Versammlungsverbot auch in Kirchen nicht das Gewicht eines ordentlichen Gesetzes habe und zudem gegen das in der Verfassung verbriefte Recht der freien Religionsausübung verstoße.
„Aus Sicherheitsgründen“ geöffnet
Bischof Martinelli seinerseits gab sich kompromissbereit. Er äußerte zwar sein Bedauern und Befremden darüber, dass die Polizei eingeschritten sei, obwohl die wenigen Gläubigen in der großen Kathedrale weit voneinander entfernt gesessen seien – weiter voneinander entfernt als man etwa in der Warteschlange vor dem Supermarkt oder dem Tabakladen stehe. Er ließ aber wissen, man werde es künftig und zumal an Ostern „besser machen“. Zwar müsse die Tür zur Kathedrale „aus Sicherheitsgründen“ bei Messen und Andachten, die über das Internet gestreamt werden, stets geöffnet bleiben, teilte der Bischof mit. Ein Mitarbeiter der Kirche – in orangefarbener Weste – sorgt aber seit dem Eklat von Palmsonntag dafür, dass nicht zu viele Leute gleichzeitig in die Kathedrale kommen. Den Ordnungshütern sprach der Bischof seinen Dank für deren wichtigen und schwierigen Dienst aus, zumal in Zeiten der Pandemie.
Seine Morgenandachten feiert der Bischof seither auf einem Stuhl vor dem Altar sitzend. Auf den Stufen zum Altar hat er ein Kruzifix legen lassen. Den „echten“ Gläubigen, die sich beim Gang zum Supermarkt oder zum Tabakwarenladen kurz in die Kathedrale wagen sollten, hat er mithin den Rücken zugekehrt. Dagegen ist er seiner „virtuellen“ Gemeinde zugewandt: Er spricht sie gewissermaßen von Angesicht zu Angesicht an, über den Laptop, der vor ihm aufgebaut ist. Damit feiert der Bischof seine Gottesdienste und Andachten, wie vom Regierungsdekret gefordert, nicht gemeinsam mit seinen Gläubigen. Aber er lässt zu, dass einige dabei sind in der Kathedrale von Frascati.