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Bestattung von Muslimen : Jungfräuliche Erde

  • -Aktualisiert am

Please handle with care: Geschäftsführer Isikali Karayel im Bestattungsinstitut „Markaz“. Bild: Jens Gyarmaty

Immer mehr Muslime lassen sich in Deutschland nach den Regeln ihres Glaubens bestatten. Das wirft auch Probleme auf, vor allem in kleineren Kommunen.

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          Eigentlich soll in zehn Minuten ein Mensch unter die Erde gebracht werden. Doch noch bekommt die Trauer keinen Raum auf dem Zwölf-Apostel-Friedhof in Berlin, noch möchte niemand still und andächtig werden. Stattdessen stehen neben dem Grab, einem Loch von 213 mal 83 Zentimetern, ein Dutzend Männer und regen sich auf.

          Unproblematisch finden sie, dass die Verstorbene nicht nur Richtung Mekka blicken wird, sondern auch auf grüne Baukräne, die den Himmel über dem benachbarten Industriehof zerteilen. Ebenfalls egal: das Autobahnkreuz Schöneberg mit seinem Straßenlärm. Aber dass eine Muslima nur vier Schritte entfernt von christlichen Überresten liegen soll – das wollen sie nicht akzeptieren. „Erde ist Erde“, versucht der Bestatter zu beschwichtigen; aber das empfinden die Männer anders. Deshalb die wilden Gesten, die sich überschlagenden Stimmen. Alles auf Arabisch. Ob die Verstorbene heute noch ihre letzte Ruhe finden wird, ist ungewiss.

          Bisher keine eigenen Friedhöfe für Muslime

          Eines jedoch ist sicher: Immer mehr Muslime werden in Deutschland beerdigt, zunehmend nach ihren eigenen Bedingungen. In Berlin gab es 2014 nur 13 islamische Beisetzungen ohne Sarg, ein Jahr später bereits 147. Beim Abschiednehmen gibt es einiges zu beachten. Die Anforderungen an eine Bestattung sind nicht im Koran zu finden, sondern in Fatwas, die religiöse oder rechtliche Fragen klären sollen und eher Lehrmeinungen sind als feststehende Urteile. Je nachdem, wer sie geschrieben hat, widersprechen sie sich – auch in der Frage, ob muslimische Verstorbene nun neben christlichen ruhen dürfen oder nicht.

          Im Gegensatz zur ersten Generation von Gastarbeitern wollen heute viele Menschen nach dem Tod nicht in die Heimat zurück, häufig sind sie ohnehin hier geboren und zu Hause. Dazu kommen Flüchtlinge, die entweder nicht in von Krisen oder Krieg betroffene Länder zurückkönnen oder nur eine Sozialbestattung erhalten. Zahlen für ganz Deutschland gibt es nicht, weil das Sterben und Erinnern dezentral organisiert ist, durch Kommunen und Kirchen. Bislang konnten Muslime deshalb auch keine eigenen Friedhöfe gründen, bekamen aber eigene Grabfelder. So zerstören ihre nach Mekka ausgerichteten Gedenksteine, die im 45-Grad-Winkel zu den Pfaden stehen, nicht die Ordnung der deutschen Friedhofslandschaft.

          Das Verhältnis zum toten Körper ist im Islam natürlicher

          Beim islamischen Bestattungsinstitut „Markaz“ in Berlin-Neukölln gibt es keine schweren Vorhänge oder abgedunkelten Scheiben. Nichts in dem ebenerdigen Bürohaus deutet beim Eintreten auf den Tod hin, die Ledercouch zum Einsinken genauso wenig wie die Deutschlandkarte mit fröhlichen grünen und roten Fähnchen, die den Kunden zeigen: Wir kümmern uns um Ihre Beerdigung – bundesweit. „Ich bin ja nicht irgendein Bestatter“, sagt der Geschäftsführer Isikali Karayel mit einem Lachen, das irgendwo zwischen Verkaufstüchtigkeit und Selbstironie liegt. „Ich bin der Erste, der in Berlin sarglos beigesetzt hat.“ In 60 bis 70 Prozent der Fälle beerdige er in Deutschland, auch da Rückführungen für die Angehörigen sehr teuer seien. „Weil ja nicht nur einer fliegt, kommt man da als kleine Familie unter 5000 bis 10000 Euro nicht weg.“

          Egal, wie sich die Menschen entscheiden, wichtig sei im Islam, dass die Angehörigen selbst Hand anlegen und von A bis Z mithelfen. „All das bewirkt ja im Kopf, dass man sich sicher ist, dass die Person verstorben ist und man das besser verarbeiten kann“, erklärt Karayel. Das Verhältnis zum toten Körper sei im Islam ein viel natürlicheres; Arbeiten an diesem selbst zu erledigen, gelte sogar als Ehrerweisung.

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