
Einsam, aber würdevoll
Von ANNA VOLLMER, Fotos: HANNES JUNG3. August 2022 · Hat ein Verstorbener keine Angehörigen, kümmert sich das Amt um die Bestattung. Manchmal kommen viele Freunde, oft niemand. Auf dem Berliner Domfriedhof setzt man in jedem Fall auf einen würdevollen Abschied.
Der Alte Domfriedhof St. Hedwig ist nicht der schlechteste Platz, um begraben zu werden. Ein historischer Ort, der viel über Berlin erzählt. Alte imposante Grabsteine, große Namen der Stadt. Die Hoteliersfamilie Adlon liegt hier begraben, auch der Gründer der Dussmann-Gruppe. Betritt man den Friedhof von der Liesenstraße aus, durch das Tor in der Backsteinmauer, geht man über ein paar Meter Rasen – zu DDR-Zeiten verlief hier der Todesstreifen. Galina Kalugina zeigt nach links und nach rechts, dorthin, wo früher einmal die Mauer stand. Sie verwaltet den Alten Domfriedhof und hat dafür gesorgt, dass man ihn nicht nur für seine prominenten Namen kennt, sondern weil hier Personen für sehr wenig Geld vom Amt begraben werden. Eine Berliner Tageszeitung nannte ihn einmal „den Armenfriedhof der Stadt“.
Galina Kalugina stört sich an solchen Zuschreibungen, weil sie oft eine Wertung implizieren. Auch der Begriff „Ordnungsbehördliche Bestattung“ gefällt ihr nicht. So heißen Beisetzungen, bei denen keine Privatperson für die Begräbniskosten aufkommt. Das Gesundheitsamt sucht, wenn in Deutschland jemand stirbt und keine Vorsorge für den Todesfall getroffen wurde, eine Woche lang nach Angehörigen. Meldet sich niemand, gibt es eine ordnungsbehördliche Bestattung. In Berlin findet sie meist auf dem Domfriedhof statt. Denn hier ist es am günstigsten.
Viele der Grabsteine hier sind denkmalgeschützt, stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Auf den Gräbern stecken kleine grüne Schilder mit Namen und Lebensdaten von Personen, die in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt sind. Manche von ihnen hatten eine ordnungsbehördliche Bestattung, andere haben sich bewusst für ein Gemeinschaftsgrab entschieden. Den Unterschied erkennt man nicht. Das liegt auch daran, dass man sich Mühe gibt und jeder, zum Beispiel, ein Namensschild bekommt. Das muss nicht so sein. Tatsächlich war der Anlass, aus dem Kalugina 2015 mit den ordnungsbehördlichen Bestattungen begann, eine weniger schöne Art von Beisetzung. Damals, sie verwaltete schon mehrere Berliner Friedhöfe, las Galina Kalugina in einem Artikel von „Schubkarrenbeerdigungen“. „Da kommt dann ein Friedhofsmitarbeiter“, sagt sie und zeigt auf einen ihrer Kollegen, der gerade mit der Grabpflege beschäftigt ist, „und schaufelt mit der Schubkarre die Urnen rein.“ Als sie das las, „traf mich der Schlag“.
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