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U-Bahn-Station : Berlins Senat stoppt Umbenennung der Mohrenstraße

Wird die Haltestelle Mohrenstraße in Glinkastraße umbenannt? Bild: ZB

Die Berliner Verkehrsbetriebe wollten mit der Umbenennung der Haltestelle „Mohrenstraße“ ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen. Doch die Sache ist kompliziert.

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          Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollten Vorreiter sein. Unter dem Eindruck der Diskussion über Rassismus, die sich nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt auch in Deutschland entwickelte, entschied das Unternehmen Anfang des Monats, den U-Bahnhof „Mohrenstraße“ umzubenennen. Mit der Tilgung des vermeintlich diskriminierenden Wortes „Mohr“ wollten sie ein Zeichen gegen Rassismus setzen. Doch der Berliner Senat stoppte die Umbenennung, die eigentlich schon bald erfolgen sollte. „Schnellschüsse sind in solchen Angelegenheiten wirklich nicht angebracht“, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Dabei hatte sie selbst die Ankündigung der BVG als „klares Zeichen gegen Diskriminierung“ und als „genau richtig“ gefeiert. Ebenso hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, zugleich designierte neue SPD-Landeschefin in Berlin, die Umbenennung als „großartiges Zeichen der BVG gegen Rassismus, Hass und Hetzte“ gelobt.

          Markus Wehner
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Doch plötzlich ist die Sache nicht mehr so einfach. Das liegt zum einen an dem neuen Namen, den die BVG vorgesehen hatte. „Glinkastraße“ sollte die Station in Zukunft heißen, so wie die Straße, die dort verläuft. Doch der Namensgeber, der russische Komponist Michail Iwanowitsch Glinka (1804–1857), war ein großrussischer Nationalist, als solcher polenfeindlich und auch antisemitisch gesinnt. Jedenfalls sind entsprechende Äußerungen Glinkas bekannt, der etwa Komponistenkollegen als „zu jüdisch“ oder gar als „frechen Juden“ bezeichnete. Allerdings hatte auch die DDR, die 1951 den Straßennamen als Reverenz an die große sowjetische Brudernation einführte, über die Schattenseiten des russischen Komponisten geflissentlich hinweggesehen.

          Der Reinfall mit Glinka ist nur eine Seite der Kritik am Vorgehen der BVG. Daneben melden sich auch Aktivisten der schwarzen Community zu Wort und jene, die einen kritischen Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte in Afrika in einer Umbenennung von Straßennamen in Berlin manifestiert sehen wollen. Sie schlagen den Namen „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ für die U-Bahn-Station vor. Der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft lebte zwischen 1703 und etwa 1757. Er war ein ehemaliger Sklave, der verschleppt, unter Adligen „verschenkt“, als „Kammermohr“ vererbt wurde. Amo wurde schließlich getauft und genoss am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel eine hervorragende Bildung, die ihn an die Universität Halle führte. Seine erste Disputation in lateinischer Sprache trug übersetzt den Titel „Über die Rechtsstellung des Mohren in Europa“.

          Die Sache ist also kompliziert. Der Senat erwartet nun von der BVG, dass die Umbenennung in einem „offenen Verfahren“ vollzogen werde, in das die dekolonialen Vereine sowie die Anrainer einbezogen werden. Bis zu einer Entscheidung, wenn sie denn überhaupt kommt, können viele Jahre vergehen. Ungeachtet all der Fallstricke macht der Berliner Umbenennungsfuror Schule. In Köln ist eine ähnliche Diskussion aufgeflammt. Auch dort gibt es mitten in der Innenstadt eine Mohrenstraße. Die SPD verlangt eine Debatte darüber, denn sie geht davon aus, dass es sich um einen diskriminierenden Begriff handelt. „Wir wollen die umbenennen“, sagte der SPD-Politiker Tim Cremer. Der Kölner Name soll eigentlich eine Ehrung des heiligen Gregorius Maurus sein, so die Afrikanistik-Professorin Marianne Bechhaus-Gerst. Das ändere aber nichts daran, „dass die Bezeichnung rassistisch ist“.

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