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Interview zu Narzissmus : Warum die Menschen auf Trump hereinfallen

Trump-Malerei in Palästina: „Im Grunde haben Narzissten Angst, nicht gut genug zu sein“ Bild: Reuters

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Welt Kostproben von Donald Trumps narzisstischen Zügen bekommt. Psychologin Bärbel Wardetzki erklärt, warum Menschen wie Amerikas Präsident überhaupt an die Macht gelangen.

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          Frau Wardetzki, mit Trump, Putin, Orbán und Erdogan, um nur diese vier zu nennen, sind Menschen an die Macht gelangt, die unverkennbar narzisstische Züge aufweisen. Wie konnte das passieren?

          Katrin Hummel
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Zurzeit haben viele politische Parteien ihr Profil verloren. Und hinzu kommt: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Wähler in all diesen Ländern wollten einen starken Mann an der Spitze, der ihre Wünsche erfüllen und ihnen ihre Orientierung zurückgeben sollte. Sie waren bereit, substanzlosen, populistischen Heilsversprechen zu glauben, und sie wollten sich nicht die Mühe machen, sie auf Plausibilität zu überprüfen. Die Wahl Trumps war das Ergebnis eines Regressionsbedürfnisses, das sich durch die Überforderung der Menschen ergeben hat. Und jetzt sonnen sich die Trump-Wähler im Glanz seiner vermeintlichen Grandiosität. Statt wie aktive, verantwortungsvolle Bürger zu handeln, lehnen sie sich an und suchen Sicherheit.

          Narzissten sind also Blender?

          Selbstverständlich. Sie überhöhen sich selbst und neigen zur Schwarzweißmalerei. Siehe Erdogan. Seine Großmachtphantasien lebt er in dem neuen Präsidialsystem aus, das ihn quasi zum Alleinherrscher gemacht hat. Die Menschen im Land teilt er in Gut und Böse ein, in Unterstützer und Gegner. Wer seine Macht untergraben oder einschränken will, den lässt er einsperren. Seinen Anhängern verspricht er dafür, dass er allein in der Lage ist, das Land in eine rosige Zukunft zu führen. Auch Trump, Putin und Orbán machen das so. Sie verführen die Menschen dazu, ihnen zu glauben, ohne Rücksicht auf die Machbarkeit ihrer Versprechen. Und für die Menschen in Not sind sie der Strohhalm, an den sie sich klammern.

          Rex Tillerson soll Trump kürzlich als Deppen beschimpft haben. Der forderte den Außenminister vergangene Woche zum IQ-Test heraus. Ist das narzisstisches Verhalten?

          Sie macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt: Ist Pippi Langstrumpf deshalb eine Narzisstin?
          Sie macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt: Ist Pippi Langstrumpf deshalb eine Narzisstin? : Bild: Allstar/Beta Film

          Narzissten sind oft Alphatiere, haben Mut, packen an, zeigen die Richtung. Sie wirken unglaublich selbstbewusst, sind es aber gar nicht. Im Grunde haben sie Angst, nicht gut genug zu sein, weshalb sie immer die Besten sein müssen. Mit Kritik können sie nicht umgehen, dann fühlen sie sich gleich angegriffen und minderwertig; das ist ein Gefühl, das sie überhaupt nicht aushalten können. Oft reagieren sie dann depressiv oder mit überschießender Wut, mit Trotz und Gewalt. Das zeigt, wie stark sie auf Beachtung von außen angewiesen sind und wie sehr ihr Selbst geschädigt ist. Nahe Beziehungen zu Menschen können sie auch nicht eingehen, weil sie Angst haben, durchschaut und für minderwertig befunden zu werden. Sie stellen sich immer über alle anderen.

          Sie schreiben, dass unsere gesamte Gesellschaft heute narzisstischer sei als früher. Warum ist das so?

          Wir haben mehr Möglichkeiten, uns selbst darzustellen und unserem Egozentrismus zu frönen. Denken Sie doch nur mal an die vielen sozialen Netzwerke. Wir können unser ganzes Leben ins Netz stellen und den anderen zeigen. Je mehr Likes wir bekommen, desto mehr steigt unser Selbstwert, und das verleitet uns dazu, immer ichbezogener zu werden. Das ist das Gegenteil von Gemeinsinn. Aber wenn ein Donald Trump sich „America First“ auf die Fahnen schreibt, macht er damit den Egozentrismus salonfähig: Ich zuerst – egal, ob es dir schadet. So wird die Selbstsucht immer mehr Teil unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass Kinder heute oft das Gefühl vermittelt bekommen, sie seien etwas Besseres: Das ist eine gute Basis, um Größenphantasien aufzubauen.

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          Sie behaupten, auch Pippi Langstrumpf sei eine Narzisstin.

          Ja, sich die Welt so zu machen, wie sie einem gefällt, ist zutiefst narzisstisch. Pippi setzt sich doch über alles hinweg, was damals gang und gäbe war, und wenn die Frau vom Jugendamt kommt und nach ihrem Vater fragt, erzählt sie ihr irgendwelche Lügengeschichten, bis sie verwirrt wieder abdampft. Pippi ist so kraftvoll, dass sie sogar Pferde stemmen kann. Das heißt, sie wirkt so, als könnte sie die Welt aus den Angeln heben. Ihre Freundin Annika ist dagegen das genaue Gegenteil, angepasst und brav. Genauso ist es bei Narzissten: Deren Partner, man nennt sie Komplementärnarzissten, haben auch ein narzisstisches Defizit, fühlen sich jedoch unterlegen und minderwertig. Sie sonnen sich im Glanz des Narzissten und werten sich auf diese Weise auf.

          Narzisstisch ist für Sie auch der IS.

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