Was tun gegen Falschnachrichten? : Das Kalkül von „Fake News“
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Vorreiter der „Fake News“-Opfer: Im Januar 2016 demonstrieren zahlreiche Menschen gegen die angebliche Vergewaltigung eines Mädchens. Bild: dpa
Gefälschte Nachrichten – oft von rechten Hetzern – haben Konjunktur. Vor allem in sozialen Medien. Dagegen gibt es ein Korrektiv. Doch bis zu einer pauschalen Lösung ist es noch weit.
Brutal habe ein Asylbewerber eine Minderjährige in Niederbayern vergewaltigt, berichtete eine 55 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Rottal-Inn Anfang Januar auf Facebook – unter ihrem Klarnamen. Doch die Vergewaltigung hatte nie stattgefunden: Die Frau hatte die Nachricht frei erfunden. Es war eine „Fake News“. „Fake News“ sind keine Falschmeldungen im eigentlichen Sinne: Sie sind nicht etwa einer Unaufmerksamkeit geschuldet, entstehen nicht infolge einer undurchsichtigen Nachrichtenlage. Sie sind im Übrigen auch keine bloßen Meinungsbekundungen. Sie geben sich als nachrichtliche Meldung; ihr Inhalt aber ist nicht objektiv, sondern manipulativ.
In diesen Tagen gestalten sich „Fake News“ meist als rechtspopulistische Hetze – gegen Flüchtlinge, Polizei oder die sogenannte „Lügenpresse“. Mitunter werden „Fake News“ mit politischem Kalkül über soziale Medien in Umlauf gebracht. „Es sind oft Leute, die aus der bürgerlichen Mitte kommen und sich der Gesellschaft nicht wirklich zugehörig fühlen“, meint der Stuttgarter Philosoph Philipp Hübl. „Dazu gehören durchaus Menschen, die versuchen, mit Unwahrheiten eine politische Agenda durchzusetzen.“
„Fake News“ lassen sich nicht so einfach aufhalten
Sie werden verfasst, um das Vertrauen in die Gesellschaft zu erschüttern und um die Funktionsfähigkeit staatlicher Organe und die Zuverlässigkeit von Amtsträgern in Zweifel zu ziehen. So soll durch ein verfälschtes nachrichtliches Lagebild eine Wahrnehmung gestützt werden, die in der realen Welt eines Fundaments entbehrt.
Gegen die Frau aus dem Landkreis Rottal-Inn ermittelt inzwischen die Polizei wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat und der Volksverhetzung; sie wurde vernommen. Indem die Polizei gegen die mutmaßliche Hetzerin vorgeht, setzt sie aber zunächst nicht mehr als ein Zeichen. Selbst wenn es zur Anklage käme: „Fake News“ gibt es viele, sie verunreinigen den schnell fließenden Informationsfluss in den sozialen Medien zu Tausenden, ob auf öffentlich zugänglichen Twitter-Konten oder in offenen und geschlossenen Facebook-Gruppen.
Inwieweit sich die Betreiber der sozialen Medien für das über ihre Netzwerke verbreitete Gift im Nachrichtenfluss verantworten müssen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie eingreifen sollten, ist umstritten. Wie etwa soll der Intervention einer fremden Macht mittels der nachweislichen Manipulation von Informationen begegnet werden? Die Parteien sollten sich aber darauf einlassen, auf „unlautere Mittel“ in den sozialen Medien zu verzichten, forderte mit Blick auf die Bundestagswahl Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Dazu sollten sich die Parteien auf Fairnessabkommen einigen, fordert Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).
„Das beste gegen eine Unwahrheit ist eine Gegendarstellung“, sagt Hübl. Genau in diesem Sinne arbeitet „Hoaxmap“, das sich des gefälschten Informationsflusses in den sozialen Medien annimmt. Über die Plattform können sich Internetuser einen Eindruck vom Narrativ der Hetzer machen. In Retrospektive zeichnet „Hoaxmap“ nach, wo der nachrichtliche Informationsfluss zu welcher Zeit und in welcher Weise manipuliert worden ist. „Fake News“, die objektiv widerlegt worden sind, sei es durch Recherchen von Lokalredakteuren oder durch polizeiliche Nachprüfungen, haben die Gründer auf ihrer Website tabellarisch erfasst, versehen mit Quellenverweisen, einem Zeitstempel und einer geographischen Markierung. So sind auf „Hoaxmap“ schon 449 verfälschte – also „gefakte“ – Meldungen aus den sozialen Medien anschaulich dokumentiert.