Yesterday war doch nicht alles besser
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Vor 40 Jahren wurde John Lennon erschossen. Zu blinder Vergötterung bietet er keinen Anlass. Lennon war witzig, unterhaltsam, geistreich und charismatisch. Aber auch rabiat, jähzornig, rachsüchtig und sadistisch.
In dem Kinofilm „Yesterday“ von 2019, der die so irre wie faszinierende Idee, es hätte die Beatles und ihre Lieder nie gegeben, zu einer harmlosen Feelgood-Komödie verarbeitet, gibt es zum Ende hin eine recht rührende Szene, und wer Spoiler nicht schätzt, der sollte jetzt erst ein paar Absätze weiter oder gar nicht mehr weiterlesen. Der mittelmäßige Musiker Jack, der sich aus kaum schlüssigem Grunde als einziger Mensch an die Beatles erinnern kann, ihre Songs als die seinen ausgegeben hat und darüber weltberühmt, aber – wer hätte das gedacht – nicht glücklich geworden ist, fährt an die Küste und trifft dort einen einsiedlerisch lebenden alten Mann. Es ist John Lennon, 78, der ein ganz gewöhnliches, aber erfülltes Leben hinter sich hat, der zur See gefahren ist und lange Jahre mit einer geliebten Frau verheiratet war und der Jack einen simplen Rat gibt, den der romantisch verwirrte junge Mann beherzigen wird: „Sagen Sie ihr, dass Sie sie lieben.“
Die Szene ist rührend, weil ihr Kern evident scheint: Ohne sein kompliziertes Rockstar-Dasein, ohne die ganze Beatles-Sache könnte Lennon heute gut und gern noch leben. Ein braver Seemann hätte niemals einen Menschen angezogen, der besessen war von der Vorstellung, durch den Mord an einer Berühmtheit berühmt zu werden. Ein Normalbürger namens Lennon hätte kein Apartment im Dakota Building in New York bezogen, und er wäre am Abend des 8. Dezember 1980 nicht vor jenem Gebäude von Mark David Chapman erschossen worden.
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