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Wirbel um „Layla“-Song : „Wir Ballermann-Künstler müssen eine ge­wisse Würze in die Songs packen“

  • -Aktualisiert am

Hier herrscht „Layla“-Verbot: Die Stadt Würzburg hat das Abspielen des Ballermann-Hits auf dem Kiliani-Volksfest verboten. Bild: dpa

Die Nummer eins der deutschen Single-Charts „Layla“ ist ein echter Stimmungstreiber – nur nicht mehr in Würzburg oder Düsseldorf. Die Städte verbieten das Lied. Bundesweit ist eine Debatte entbrannt. Ist deshalb die Kunstfreiheit bedroht?

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          Zwei Männer spazieren durch die Gassen Schwäbisch-Halls. Schnell landen sie in einem der Fachwerkhäuser – einem Bordell, wie sich herausstellt – und besingen drei Minuten lang die an der Stange tanzende „Puffmutter“ namens Layla. Angetan mit blonder Perücke, schwarzem Minirock und den High Heels, tanzt da offenbar – ein Mann. Soll zeigen: Alles nicht so ernst ge­meint.

          Mehr als 100 Kilometer nördlich ist man anderer Meinung. Die Stadt Würzburg hat das Abspielen des Ballermann-Hits „Layla“ auf dem Kiliani-Volksfest zu Wochenbeginn untersagt. Am Mittwoch zog Düsseldorf nach, dort soll das Lied auf der am Freitag beginnenden größten Kirmes am Rhein nicht gespielt werden. Die Entscheidung traf der Veranstalter, der Schützenverein St. Sebastianus: Der Text entspreche nicht den Gepflogenheiten des Traditionsvereins.

          De­batte um Kunstfreiheit und Sexismus

          Laylas Geschichte lässt sich schnell erzählen: Ein Mann mit breitem Grinsen besitzt ein Bordell, die „Puffmama“ heißt Layla. „Sie ist schöner, jünger, geiler, La-la-la-la, die wunderschöne Layla“, lautet der Text weiter. Im Musikvideo schaut sich DJ Robin das Ganze aus der Nähe an, findet: „geile Figur, blondes Haar“, und der Refrain setzt wieder ein. „Er hat ’nen Puff und seine Puffmama heißt Layla (. . .) die wunderschöne Layla.“ Fertig.

          „Layla“ läuft schon seit Monaten in Dauerschleife, nicht nur auf der Lieblingspartyinsel der Deutschen. Die Stadt Würzburg hatte im vergangenen Jahr beschlossen, rassistische und sexistische Lieder nicht mehr auf Volksfesten spielen zu lassen – vor allem das umstrittene „Donaulied“, in dem eine Vergewaltigung besungen wird. Die Entscheidung der Stadt führt nun plötzlich zu einer De­batte um Kunstfreiheit und Sexismus.

          „Da kann jeder auch betrunken mithopsen“

          Die Macher selbst geben sich derweil ahnungslos: „Zum Glück ist Layla gerade das größte Problem Deutschlands“, kommentiert DJ Robin die Aufregung um seinen Stimmungshit zynisch. Dazu postete er auf Facebook ein Foto mit seinem Mu­sikkollegen Michael Müller alias Schürze dort, wo der Song seine größten Erfolge feiert: am Ballermann.

          Das DJ Duo Robin & Schürze (l), kann den Wirbel um den Partyhit „Layla“ auch nicht so ganz verstehen.
          Das DJ Duo Robin & Schürze (l), kann den Wirbel um den Partyhit „Layla“ auch nicht so ganz verstehen. : Bild: dpa

          Die aktuelle Nummer eins der deutschen Single-Charts ist, wie für Ballermann-Hits üblich, nicht sonderlich tiefsinnig. Rein formal gesehen sei der Song sogar diszipliniert komponiert, findet Markus Henrik, promovierter Musikwissenschaftler, auch bekannt als „Dr. Pop“. „Die Refrainmelodie erzeugt den ge­wünschten Ohrwurm. Der Song hat ein Tempo von 140 Beats per minute, da kann jeder auch betrunken mithopsen. Und es fällt nicht auf, wenn jemand aus dem Takt kommt.“ Er teilt die Kritik an dem Inhalt: „Der Text ist vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte natürlich kalkuliert hochgradig sexistisch.“ Aber ob Behörden deswegen Verbote aussprechen müssen? „Die Kunstfreiheit ist ein sehr hohes Gut“, meint er. Lieber sollten DJs oder das Publikum entscheiden, ob ein Song gespielt wird, wenn man ihn als problematisch erachtet. „Demnach müsste man auch viel Deutsch- oder Gangsta-Rap verbieten.“ Auch Produzent und Sänger Matthias Distel alias Ikke Hüftgold sagt im Gespräch mit der F.A.Z.: „Es gibt deutlich pikantere Songs, gerade auch aus der Rap-Szene, die weniger Beachtung bekommen.“

          25.000 Unterschriften für Online­petition #freelayla

          Die Idee, Layla von einem Mann spielen zu lassen, hatten die beiden Interpreten. So wollten sie der Sexismusdebatte eigentlich aus dem Weg gehen. „Das Video ist ein cleverer Teil der Verteidigungsstrategie“, sagt Distel. Es soll schließlich alles nicht so ernst gemeint sein. Matthias Distel, Chef der Plattenfirma „Summerfield Records“ aus dem Westerwald, hat deshalb eine Online­petition unter dem Motto #freelayla gestartet. Bis zum Donnerstagnachmittag hatten schon mehr als 25.000 Menschen unterschrieben.

          Die neue Bekanntheit ihres banalen Songs kommt dem DJ-Duo „Robin und Schürze“ nur zugute. Sogar Bundesjustizminister Marco Buschmann trat auf Twitter für die Kunstfreiheit ein: „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel.“ Als der FDP-Politiker das am Dienstagabend ins Handy tippte, führte „Layla“ schon die Twitter-Trends an. Für DJ Robin ist es die quasi amtliche Lizenz dafür, einfach so weiterzumachen. Konstantin von Notz von den Grünen erinnert die Debatte an die um Falcos „Jeanny“. Seinen Tweet versah er mit dem Hashtag „Kunstfreiheit“. Man müsse das „in einer freien Gesellschaft aushalten“, schreibt er.

          Was man da eigentlich singt? Wer weiß das schon!

          Musikwissenschaftler Dr. Pop findet es schade, dass die meisten bei „Layla“ nun an eine Ballermann-Nummer denken und nicht an Eric Clapton. Der Meinung ist auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link. Auf seiner Facebook-Seite schreibt der SPD-Politiker, er denke zwar bei „Layla“ vor allem an „den großartigen Song von Eric Clapton“, „aber diese scheinheilige Cancel-Culture-Debatte nervt schon ein wenig“. Es gebe schließlich Songs mit „potentiell schlimmeren Inhalten“.

          Matthias Distel scheint überrascht von der seltsamen Debatte. „Wir Ballermann-Künstler wissen, dass wir eine ge­wisse Würze in die Songs packen müssen, damit sie funktionieren“, sagt er. Sein Plattenlabel „Summerfield Re­cords“ hat jedenfalls die Liste der populären Songs – wie „Johnny Däpp“ von Lorenz Büffel oder Mia Julias „Mallorca (Da bin ich daheim)“ – um einen echten Knaller verlängert. All diese Lieder sind weder tiefgründig noch besonders textreich. Und mit zwei Promille hört die Textsicherheit nach dem Refrain sowieso auf. Was man da eigentlich singt? Wer weiß das schon!

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