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Langzeitstudie : Kriminalität wächst sich aus

„Erfolgreiche Vermittlung von Werten und Normen“: Familie und Schule ebnen den meisten jungen Straftätern rechtzeitig den Weg aus der Kriminalität Bild: dpa

Eine Studie liefert überraschende Ergebnisse über die Entwicklung von kriminellen Jugendlichen. So sind Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht häufiger an Gewaltdelikten beteiligt als andere Jugendliche.

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          Die meisten straffällig gewordenen Jugendlichen finden an der Schwelle zum Erwachsenwerden den Weg aus der Kriminalität. Das ist eines der zentralen Zwischenergebnisse der seit zwölf Jahren laufenden Langzeitstudie des Kriminologen Klaus Boers von der Universität Münster und des Soziologen Jost Reinecke von der Universität Bielefeld. Der Rückgang der Kriminalitätsneigung geschehe weitgehend ohne das Eingreifen von Polizei und Justiz. „Er ist Ausdruck einer erfolgreichen Vermittlung von Werten und Normen durch Familie und Schule“, sagt Boers im Gespräch. Problematisch seien allenfalls jugendliche Intensivtäter, also jene sechs bis acht Prozent einer Altersgruppe, welche die Hälfte aller Straftaten und mehr als drei Viertel aller Gewaltdelikte begehen.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Auch bei diesen Intensivtätern nehme die Zahl der Delikte aber im Zeitverlauf merklich ab. Voraussetzung für den Weg zurück in die Normalität seien ein erfolgreicher Übergang ins Erwerbsleben und eine stabile soziale Bindung an einen gesellschaftskonformen Partner. „Also nicht Türsteher oder ein Mädchen aus dem Milieu.“

          Migranten sind nicht häufiger auffällig als deutsche Jugendliche

          Einige gängige Vorurteile würden durch die Studie widerlegt, sagt Boers. Dazu gehöre auch die Erkenntnis, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht häufiger an Gewaltdelikten beteiligt sind als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. „Das hat uns selbst überrascht.“ Zudem belege die Studie, dass Strafen nicht abschrecken. Zwar könne nicht ganz auf Strafen verzichtet werden. Es gelte aber die Faustregel: weniger ist mehr, Erziehungsmaßnahme vor Arrest. „Denn Haftstrafen können den Kontakt zu gewaltbereiten Gruppen fördern und soziale Bindungen schwächen.“ Bestätigt sehen Boers und Reinecke dagegen, dass der Konsum von Gewaltfilmen die Neigung bei Jugendlichen erhöht, Gewalttaten zu begehen.

          Für ihre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Langzeitstudie „Kriminalität in der modernen Stadt“ befragen die beiden Forscher seit 2002 regelmäßig etwa 3400 Jugendliche und junge Erwachsene aus Duisburg. Die nächste Befragung der dann im Schnitt 26 Jahre alten Teilnehmer soll Anfang 2015 stattfinden. „Andere Untersuchungen mit einmaligen Befragungen haben bisher nur Momentaufnahmen liefern können“, sagt Boers. „Wir dagegen können nun auch Aussagen über die individuelle Entwicklung der Kriminalität treffen.“

          Die Langzeitstudie sei zudem repräsentativ für deutsche Großstädte. Durch die intensive Befragung bekommen die Wissenschaftler auch Einblicke in das sogenannte Dunkelfeld der Kriminalität, weil die Jugendlichen auch über Straftaten berichten, die in keiner Statistik erscheinen. Zusätzlich fließen die Hellfelddaten über Verurteilungen und Verfahrenseinstellungen in die Studie ein.

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