
Nach Attentat in Manchester : Was bringen strengere Sicherheitsvorkehrungen?
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Nach dem Anschlag herrscht Trauer in Manchester. Viele fragen sich aber auch, ob die Sicherheitsvorkehrungen zu lasch waren. Bild: AFP
Nach dem Anschlag in Manchester debattieren Organisatoren wieder über schärfere Sicherheitskontrollen. Mancher Besucher wird das in Zukunft wohl zu spüren bekommen. Im Fall von Manchester hätte es nicht geholfen.
Nach dem Anschlag in Manchester, bei dem am Montag 22 Besucher ihres Konzerts ums Leben kamen, hat Ariana Grande laut dem Promiportal „TMZ“ ihre Tournee vorzeitig beendet. Am 3. Juni wäre sie in Frankfurt in der Festhalle aufgetreten. Fast 14.000 Menschen finden dort Platz. Auch wenn die Veranstalter sich nicht mehr um die Sicherheit beim Konzert der amerikanischen Sängerin sorgen müssen, haben sie immer noch genug zu tun: In der riesigen Halle spielt zwei Tage vor Grandes abgesagtem Konzert der amerikanische R&B-Sänger Bruno Mars – sein Auftritt ist ausverkauft –, einen Tag später der deutsche Singer-Songwriter Tim Bendzko. Dutzende Konzerte dieser Größenordnung finden täglich in unzähligen Städten der Welt statt.
Nach dem Anschlag von Manchester stellt sich wieder einmal die Frage: Wie können solche Mega-Events gesichert werden? Kann noch mehr getan werden, als mit Security-Männern, Taschenkontrollen und Abtasten schon getan wird? Marek Lieberberg glaubt: ja. Er ist Geschäftsführer des Konzertveranstalters Live Nation, der unter anderem Rock im Park und Rock am Ring organisiert. Bei seinen Events würden die Sicherheitsmaßnahmen in Abstimmung mit der Polizei weiter angepasst, erklärte er jetzt. Und: „Die Fans können mithelfen, indem sie sich bei Konzert- oder Festivalbesuchen auf das Wesentliche beschränken und auf nicht unbedingt erforderliche Gegenstände, Utensilien und Behältnisse aller Art verzichten. Eine frühere Ankunft an den Spielstätten erleichtert erforderliche Kartenkontrollen sowie intensive Bodychecks.“
Für die ebenfalls von Live Nation organisierten Konzerte von Depeche Mode wurden schon konkrete zusätzliche Schritte bekannt. Größere Taschen, Rucksäcke und Helme sind bei Auftritten der Band gänzlich verboten. Damenhandtaschen werden nur bis zur Größe eines Din-A-4-Blattes und nach einer Durchsuchung zugelassen. In der Lanxess-Arena in Köln, Deutschlands größter Veranstaltungshalle, gilt diese Regelung zu Taschen schon länger. Nach dem Anschlag in Manchester werden hier aber zusätzlich Metalldetektoren zum Einsatz kommen.
Bestimmte Szenarien lassen sich nicht verhindern
Konzertveranstalter Lieberberg verweist allerdings auch darauf, dass der Anschlag in Manchester im öffentlichen Raum stattfand, vor dem kontrollierten Bereich der Konzerthalle. Damit trifft er einen wichtigen und gleichzeitig simplen Punkt: Bestimmte Szenarien lassen sich nicht verhindern. Bei den Anschlägen von Paris am 13. November 2015 zum Beispiel kam einer der Täter wegen der Sicherheitskontrollen nicht ins Fußballstadion und sprengte sich deshalb davor in die Luft. Bei anderen Anschlägen schossen die Täter sich ihren Weg an Sicherheitskräften vorbei frei. In solchen Fällen helfen auch die strengsten Vorkehrungen nicht.
Was erschwerend hinzu kommt: Wo es Sicherheitskontrollen gibt, gibt es Schlangen, die wiederum ein Ziel für Anschläge sein können. Im Falle des Anschlags in Manchester war das Problem noch einmal ein anderes: Hier geschah der Anschlag erst nach dem Konzert, als die Besucher zu Tausenden aus der Halle liefen. Deshalb stellt sich auch die Frage, ob und wie man verhindern kann, dass Menschen dichtgedrängt in Massen einen Veranstaltungsort verlassen.
Für beide Probleme – Schlangen vor der Veranstaltung, Gedränge danach – gibt es Überlegungen. Etwa, den Bereich unmittelbar hinter den Ausgängen stärker zu sichern. Denn schon wenige Meter dahinter zerstreut sich die Masse oftmals. Was die Schlangen betrifft, so ist Lieberbergs Appell an Konzertbesucher, nur das Nötigste mitzubringen und so die Länge der Kontrollen und der Warteschlangen zu verkürzen, ein Ansatz. Ein anderer ist, die Besucherströme zeitlich zu staffeln. Ähnlich wie beim Boarding im Flugzeug würden die Gäste in Gruppen eingeteilt und müssten zu verschiedenen Zeitpunkten kommen. Bisher galt das aber als zu unpraktisch.
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Sinnvoll kann der Einsatz von „Spottern“ sein
Aus gutem Grund, sagt Stefan Löcher, Geschäftsführer der Kölner Lanxess-Arena. Die Lanxess-Arena etwa habe schon mehrere Eingänge mit verschiedenen Schleusen, in die Menschen nur einzeln gelassen werden. Der Einlass beginne außerdem zwei Stunden vor der Veranstaltung. Man könne allerdings von niemandem erwarten, fünf Stunden vor Konzertbeginn irgendwo zu warten. Und selbst das würde das Problem nicht lösen: Menschenansammlungen gebe es bei Events einer bestimmten Größenordnung immer an irgendeiner Stelle, und sei es hinterher auf dem Weg zum Bahnhof oder am Bahngleis. Das könnten auch noch so viele verschiedene Eingänge nicht verhindern. Nach Ende einer Veranstaltung könne man die Besucher natürlich nachdrücklich dazu auffordern, sich zügig vom Ausgang wegzubewegen. Aber man könne sie nicht in der Halle festhalten, um einen gestaffelten Ausgang zu organisieren.
Was Löcher hingegen für vielversprechend hält und deshalb praktiziert, ist der Einsatz sogenannter Spotter. Bei Bedrohungslagen halten sie vor einer Veranstaltung in der Umgebung Ausschau nach verdächtigen Leuten. Ein Ansatz, den auch der Sicherheitsberater Friedrich Haas für vielversprechend hält. In einer freien Gesellschaft werde es immer Menschenansammlungen geben. Terroristen, die diese treffen wollten, planten Anschläge penibel und nutzten jede noch so kleine Sicherheitslücke aus, sagt Haas. Vorher müssten sie sich aber vorbereiten, Waffen beschaffen, den Tatort besichtigen. Psychologen und Geheimdienste könnten ihre Taten dann bestenfalls verhindern. Ein Metalldetektor oder eine Taschenkontrolle vermögen das nicht.