Urteil : Versuchter Mord am Steuer
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Keine gute Kombination: Frau mit Handy am Steuer. Bild: dpa
Sie war mit ihrem Handy abgelenkt, hatte zwei Radfahrer angefahren und war geflüchtet. Nun wird eine junge Frau in Stuttgart wegen versuchten Mordes verurteilt.
Die 21 Jahre alte Melissa G., die im Sommer 2014 einen Radfahrer bei einem Auffahrunfall tödlich verletzt hatte, weil sie sich durch ihr Smartphone ablenken ließ, ist von einer Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Gericht sah die Tatbestände fahrlässige Tötung sowie fahrlässige Körperverletzung als erfüllt an und verurteilte die Angeklagte zudem wegen versuchten Mordes, weil sie sich unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte. Das Gericht machte außerdem Bewährungsauflagen: Die Angeklagte muss sich einer Psychotherapie unterziehen und 250 Arbeitsstunden in einer Sozialeinrichtung ableisten. Zudem wird der Führerschein eingezogen und ein Fahrverbot für zwei Jahre und neun Monate verhängt. „Die Kammer hat sich bei der Urteilsfindung noch nie so schwer getan wie in diesem Fall“, sagte die Vorsitzende Richterin.
Aus Sicht des Gerichts war das Tatbestandsmerkmal „Verdeckungsabsicht“ erfüllt, weil sich die Angeklagte unerlaubt vom Unfallort entfernte und damit versucht hatte, vorausgegangene Straftaten, nämlich fahrlässige Körperverletzungen und fahrlässige Tötungen, zu verdecken. Der bedingte Tötungsvorsatz sei somit erfüllt worden. Das Gericht begründete auch, weshalb die zum Zeitpunkt des Unfalls 19 Jahre alte Frau nach Jugendstrafrecht verurteilt wird: Die Angeklagte habe eine „kindlich-naive Persönlichkeitsstruktur“. Außerdem sei eine „starke Reifeverzögerung“ feststellbar gewesen. Strafmildernd erkannte das Gericht die Reue und das Teilgeständnis an. Zu Lasten der jungen Frau wertete die Frau ihre „extrem grobe Fahrlässigkeit“. Der Aussage der Angeklagten, dass sie das Smartphone nur an der Roten Ampel benutzt hat und dass sie es während der Fahrt auf der Mittelkonsole abgelegt haben wollte, schenkten die Richter keinen Glauben.
Am 17. August 2014 hatte Melissa G. auf der Bundesstraße 295 in der Nähe von Renningen (Baden-Württemberg) auf einer kerzengeraden Strecke zwei Rennradfahrer angefahren. Der erste Radler, ein 47 Jahre alter Physiotherapeut, war an seinen Verletzungen gestorben; der zweite Radler, ein 36 Jahre alter Industriekaufmann, hatte den Unfall knapp überlebt. Nach den Ermittlungen muss die Autofahrerin neun Sekunden abgelenkt gewesen sein, eine andere Erklärung für den Unfall konnte auch während der Verhandlung nicht ermittelt werden.