Prozess in Köln : Keine Haft für Raser nach tödlichem Unfall
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Für sie kam jede Hilfe zu spät: Die 19 Jahre alte Studentin Miriam S. starb, nachdem ein Raser sie bei einem illegalen Autorennen tödlich verletzt hatte. Bild: dpa
Zwei Männer liefern sich ein Autorennen, der ältere verliert die Kontrolle über seinen Wagen – und tötet eine 19 Jahre alte Radfahrerin. Auf das Urteil reagieren die Angehörigen des Opfers fassungslos.
Nach allem, was man weiß, war Miriam S. an dem Tag, an dem sie aus dem Leben gerissen wurde, guter Dinge. Es war der 14. April 2015, einer der ersten Tage des Semesters, sonnig und warm. Miriam S., die Einserschülerin und das Nesthäkchen der Familie, hatte anfangs gehadert, ob Jura die richtige Wahl war. Doch mit Beginn des zweiten Semesters waren die Zweifel verflogen.
So schildert es ihr Vater in dem Prozess, der die Umstände ihres Todes klären soll. Wie üblich habe seine Tochter am Tag des Unfalls per SMS Kontakt nach Hause gehalten. Sie schrieb eine Nachricht, als sie wohlbehalten an der Uni ankam, weitere über ihre Erfolge dort, und noch eine letzte, als sie sich mit dem Fahrrad auf den Nachhauseweg machte. Der Tisch in ihrem Elternhaus war gedeckt, Vater, Mutter und Freund erwarteten sie um 19.15 Uhr.
Doch sie kam nicht. Stattdessen fuhr um 20 Uhr die Polizei vor. Drei Tage später starb Miriam S. im Krankenhaus. Die 19 Jahre alte Studentin war das zweite von drei Opfern innerhalb weniger Monate, von denen es hieß, sie hätten ihr Leben auf den Straßen Kölns verloren, weil andere diese Straßen zu ihrem Revier erklärt haben. Am 26. März 2015 lieferten sich zwei Neunzehnjährige ein Rennen auf der Aachener Straße. Mit mehr als 100 Kilometern in der Stunde fuhren sie über eine rote Ampel, einer der Wagen krachte in ein Taxi, ein Fahrgast kam uns Leben.
Die Polizei richtete eine Raser-Sonderkommission ein
Im Januar verhängte das Amtsgericht Köln Bewährungsstrafen. Am 10. Juli stieß ein 26 Jahre alter Fahrer ebenfalls auf der Aachener Straße gegen ein Auto, das die Spur wechselte. Er hob ab, riss zwei Ampeln um und schleuderte gegen einen Radfahrer, der drei Tage später starb. Mehrere Zeugen wollen ein Rennen beobachtet haben, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen einen zweiten Fahrer inzwischen aber eingestellt. Und zwischen den beiden Unfällen starb Miriam S., auf dem Nachhauseweg überfahren.
Der Tod von Miriam S. blieb in Köln nicht ohne Folgen. Die Polizei richtete nach dem Unglück eine Sonderkommission ein, um der Umtriebe auf den Straßen Herr zu werden. Mittlerweile spricht man in Köln von einer „Szene“. Es sind junge Männer, meist unter 25, die ihren gesellschaftlichen Status über die Größe ihres Autos und die Art, wie sie es steuern, definieren. Fast jeden Tag ist die Polizei hinter ihnen her, doch es nimmt kein Ende. Viele hofften deshalb, dass vom Urteil im Fall von Miriam S. eine abschreckende Wirkung ausgeht.
Die Männer auf der Anklagebank sind 22 und 23 Jahre alt: Jugendstrafen waren – im Gegensatz zum Urteil im Januar - ausgeschlossen. Die beiden Angeklagten treten von Anfang an höchst unterschiedlich auf. Erkan F., der Fahrer der Unfallautos, der seit einem halben Jahr in Psychotherapie ist, starrt unentwegt auf die Unterlagen seines Verteidigers; immer wieder weint er leise. Firat M., der hinter F. hergefahren war, hat die Arme vor der breiten Brust verschränkt und senkt den Blick nicht einmal, als die Fernsehkameras in den Saal kommen. In das Bild, das die Kölner Polizei von der Raser-Szene zeichnet, passen auf den ersten Blick beide.