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Nach Tötung von Krebspatienten : Heilpraktiker kommt mit Bewährung davon

  • -Aktualisiert am

Der Heilpraktiker Klaus R. und Anwältin Ursula Bissa stehen vor dem Beginn seines Prozesses in einem Saal des Landgerichts Krefeld. Bild: dpa

Ein Heilpraktiker verabreichte schwer kranken Krebspatienten eine nicht als Medikament zugelassene Infusion, woraufhin drei von ihnen starben. Das Urteil gegen ihn ist mild ausgefallen.

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          Zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz – es ist ein erstaunlich mildes Urteil, das Klaus R. am Montag vom Landgericht Krefeld bekam. Der 61 Jahre alte Heilpraktiker hatte in seinem „Biologischen Krebszentrum“ in Brüggen am Niederrhein regelmäßig gegen hohe Honorare Patienten mit dem Präparat 3-Bromopyruvat (3BP) behandelt.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Von der Substanz erhoffen sich Wissenschaftler im Kampf gegen verschiedene Krebsarten einiges, als Medikament ist sie jedoch nicht zugelassen. Doch der Heilpraktiker lockte mit seiner „experimentellen“ Therapie vor allem auch todkranke Patienten aus Holland und Belgien an. Im Juli 2016 starben dann zwei Frauen und ein Mann kurz nach der Infusion.

          Drei Jahre Haft forderte die Staatsanwaltschaft für R. in ihrem Plädoyer am Montagmorgen. Der Heilpraktiker habe beim Hantieren mit dem hochwirksamen Zellgift „alle Pflichten“ missachtet. Seine Verteidigerin beantragte dagegen Freispruch. Die Patienten ihres Mandanten seien schwer krebskrank gewesen, hätten die klassische Chemotherapie abgelehnt und gewusst, dass sie sich auf eine experimentelle Therapie einließen. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Therapie des Heilpraktikers den Tod der drei Patienten verursacht habe.

          Forderungen das Heilpraktikerwesen zu reformieren

          Das sah die zweite große Strafkammer des Landgerichts Krefeld anders. Sie attestierte Klaus R. „schwere Verletzungen der Sorgfaltspflicht“. Nach Überzeugung der Kammer hatte der Heilpraktiker für die Zubereitung der Infusionslösungen mit dem Wirkstoff 3BP eine ungeeignete Waage benutzt. Deshalb war die Dosis, die R. vier seiner Patienten verabreichte, um das Drei- bis Sechsfache überschritten worden.

          Drei der Krebspatienten starben binnen zweier Tage, eine vierte Patientin litt an Übelkeit und Unwohlsein. Nach dem Bekanntwerden der Todesfälle hatten die Ermittler die Patientenakten ausgewertet und 70 ähnliche Todesfälle untersucht. Anhaltspunkte, dass R. für den Tod weiterer Patienten verantwortlich war, gibt es aber auch nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nicht.

          Schon in der Vergangenheit hatte es Forderungen gegeben, das Heilpraktikerwesen zu reformieren. Ärzte monieren seit langem, es sei im Zeitalter einer hochentwickelten und differenzierten Medizin ein untragbarer Anachronismus, dass in Deutschland jeder, der mindestens 25 Jahre alt ist und einen Hauptschulabschluss hat, nach einer kurzen schriftlichen „Kenntnisprüfung“ als Heilpraktiker unter anderem offene Wunden behandeln und – wie Klaus R. bei seinen Krebspatienten – Injektionen setzen darf.

          Stärkere Überwachung

          Das aus dem Jahr 1939 stammende Heilpraktikergesetz müsse „endlich durch einen formalen Gesetzgebungsprozess den Anforderungen unseres modernen Gesundheitswesens“ angepasst werden, hatte die damalige nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) nach Bekanntwerden der drei Todesfälle in Brüggen gefordert.

          Doch danach passierte beinahe zwei Jahre lang so gut wie nichts. Erst im Juni 2018 stellte die Gesundheitsministerkonferenz „die zwingende Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerwesens“ fest, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe befasst sich derzeit mit dem Problem. Vor wenigen Wochen bekräftigte Steffens’ Nachfolger Karl-Josef Laumann (CDU) die Erwartung, „dass der Bund seiner Verantwortung für ein zeitgemäßes Heilpraktikerrecht“ nachkomme.

          Jenseits der nur bundesgesetzlich zu regelnden Aspekte beabsichtige die Landesregierung, ihre eigne Regelungskompetenz auszuschöpfen. „Vor diesem Hintergrund werden derzeit Eckpunkte für ein Landesheilpraktikergesetz erarbeitet mit dem Ziel, insbesondere das Verfahren der Kenntnisüberprüfung ... stärker zu vereinheitlichen, durch ein zentrales Register der Überwachung der Tätigkeit von Heilpraktikern zu verbessern sowie die Ausübungspflichten für Heilpraktiker festzulegen“, heißt es in einem Bericht Laumanns.

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