Razzia wegen Scheinvaterschaft : Berliner Polizei geht gegen Schleusungen aus Vietnam vor
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Auf dem Gelände des Dong Xuan Centers in Berlin: Schon im September war ein Schlag gegen eine vietnamesisch-deutsche Schleuserbande erfolgt. (Archivbild) Bild: dpa
Die Polizei in Berlin ist am Mittwoch mit einer Razzia gegen Schleuser vorgegangen, die Scheinvaterschaften vermittelten. Schwangere Vietnamesinnen erlangen dadurch hierzulande Aufenthaltsrecht. Die falschen Väter sind oft vorbestrafte Kriminelle.
Es ist eine besondere Form des Menschenhandels: Vietnamesische Frauen, die schwanger sind, werden von Schleusern nach Deutschland gebracht. Deutsche Männer, oft sind es Alkohol- oder Drogenabhängige oder vorbestrafte Kriminelle, geben sich gegen Geldzahlungen als Väter der Kinder aus. Die Vietnamesinnen erschleichen sich auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Schwerpunkt dieser Schleusungskriminalität ist Berlin. Die Hauptstadt ist nach Auskunft des Bundeskriminalamts „Dreh- und Angelpunkt für vietnamesische Menschenhändler“. Am Mittwoch durchsuchte die Bundespolizei 38 Wohnungen in Berlin, hinzu kamen jeweils eine Wohnung in Potsdam, dem brandenburgischen Spremberg und dem thüringischen Sonderhausen. Insgesamt waren 650 Polizisten im Einsatz. Ermittelt wird nach einem Bericht des RBB gegen 18 deutsche Männer und 23 Vietnamesinnen. Im Zentrum der Fahnder steht demnach eine 52 Jahre alte Vietnamesin in Berlin. Sie soll in 26 Fällen die falsche Anerkennung einer Vaterschaft vermittelt haben.
Die angeblichen Väter sind oft wegen Drogen- oder Gewaltdelikten vorbestraft, meist sind sie der Polizei entsprechend bekannt. Dafür, dass sie sich als biologische Väter der vietnamesischen Kinder ausgeben, erhalten sie laut den Ermittlungen zwischen 3000 und 5000 Euro von den Vermittlern. Von den Frauen verlangen die Vermittler wiederum zwischen 5000 und 10.000 Euro. Viele Frauen müssen das Geld dann in Berlin verdienen, etwa in Nagelstudios oder in der Prostitution.
In Einzelfällen waren es Sexualstraftäter
Die Frauen kommen meist schon schwanger nach Berlin, melden sich am Ende ihrer Schwangerschaft beim Landesamt für Flüchtlinge. Die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Deutschen gibt den nichtehelichen Kindern seit 1993 ein Aufenthaltsrecht und zugleich das Recht, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Auch die Mutter, die sich um das Kind kümmert, erhält eine Aufenthaltsberechtigung – mindestens bis das Kind 18 Jahre alt geworden ist. Wenn die Männer kein festes Einkommen haben, bekommen die Frauen und die Kinder Unterhaltsvorschuss von den Jugendämtern. Oft holen die Frauen dann im Zuge der Familienzusammenführung ihre vietnamesischen Ehemänner und gemeinsame Kinder nach. Der „offizielle“ Vater bleibt aber für das Kind zuständig – in Einzelfällen soll es sich um Sexualstraftäter gehandelt haben. Nach Informationen des RBB sollen mehrere Notare aus dem Raum Berlin in den Fall verwickelt sein, die falsche Vaterschaftsanerkennungen beurkundet haben sollen.
Der Einsatz vom Mittwoch ist nicht der erste, mit dem die Berliner Polizei gegen diese Form der Schleuserkriminalität vorgeht. Schon im September war ein Schlag gegen eine vietnamesisch-deutsche Schleuserbande erfolgt. Damals ging es um mindestens 80 Fälle, in denen deutsche Männer eine falsche Vaterschaft angegeben hatten. Als Kopf einer Schleuserbande wurde damals ein 65 Jahre alter Vietnamese verhaftet.
Das Bundeskriminalamt zählt in seinem jüngsten „Lagebericht Schleusungskriminalität 2020“ fünf vietnamesische Gruppierungen aus der Organisierten Kriminalität, die vor allem mit Schleusungen ihre Geschäfte machen. Häufiger vertreten waren danach nur damit die von Deutschen dominierten Gruppen. Auch bei den geschleusten Personen lag Vietnam neben Moldau und Albanien an vorderer Stelle. Die 61 OK-Gruppierungen erlangten im Jahr 2020 durch Schleusungen kriminelle Erträge von rund 30 Millionen Euro.