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Gewalt gegen Frauen in Spanien : Urteil gegen die „Meute“

Während des Prozesses wurde in Pamplona demonstriert Bild: Reuters

Fünf Männer sollen 2016 in Pamplona gemeinsam eine Achtzehnjährige vergewaltigt haben. Ihre Anwälte taten dann alles, um die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern. Verschwindet die „Macho-Kultur“ in Spanien einfach nicht?

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          Fünf Monate haben sich die Richter in Pamplona Zeit genommen für das Urteil in dem Prozess, der Spanien aufgewühlt hat. Angeklagt waren fünf Männer aus Sevilla, am 7. Juli 2016 in Pamplona gemeinsam eine Achtzehnjährige vergewaltigt zu haben. In ihrer Whatsapp-Gruppe, die durch die Ermittlungen öffentlich wurde, nannten sich die Freunde „La Manada“, was sich mit „Rudel“ oder „Meute“ übersetzen lässt. Sie waren nach Pamplona zu den jährlichen „Fiestas de San Fermín“ gereist, der traditionellen Stierhatz im Sommer. Bis zuletzt behaupteten sie, die junge Frau aus Madrid, die sie erst kurz zuvor kennengelernt hatten, sei ihnen freiwillig in den dunklen Hauseingang gefolgt.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Die drei Richter waren sich laut Presseberichten lange nicht darüber einig, ob sie das, was im Morgengrauen in Pamplona geschehen war, als Vergewaltigung einordnen sollten oder als sexuellen Missbrauch, der weniger hart geahndet wird. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihren Plädoyers 22 Jahre und zehn Monate Haft wegen „agresión sexual“, also wegen eines gewaltsamen sexuellen Übergriffs. Das Gericht verurteilte die Angeklagten am Donnerstag dann zu jeweils neun Jahren Haft – wegen des wiederholten sexuellen Missbrauchs unter der Ausnutzung der schutzlosen Lage des Opfers („abuso sexual continuado“).

          Die Ermittler hatten den Fall für so gravierend gehalten, dass die Mitglieder der Gruppe nach ihrer Festnahme nicht mehr aus der Untersuchungshaft freikamen. Leugnen war zwecklos: Die Männer hatten gefilmt, wie sie sich an der jungen Frau vergingen und die Aufnahmen über Whatsapp mit anderen geteilt und sich der Tat gebrüstet. Am Ende stahlen sie ihrem Opfer sogar noch das Mobiltelefon.

          In ganz Spanien sorgte die Vergewaltigung für großes Aufsehen. Am Donnerstag warteten Demonstrantinnen vor dem Gerichtsgebäude. Während des Prozesses hatte es in Pamplona und anderen Orten Demonstrationen gegeben. Mit dem Satz „Yo sí te creo“ („Ich glaube dir“) versicherten Tausend dem Opfer ihre Unterstützung. Denn die drei Anwälte der Angeklagten taten alles, um die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern. Sie setzten sogar einen Privatdetektiv auf sie an, der beweisen sollte, dass die junge Frau Opfer „nicht langfristig traumatisiert“ war. Das Gericht ließ diesen Bericht als Beweismittel zu – aber nicht Whatsapp-Dialoge unter den Männern, die nahelegten, dass die Täter ihre Tat planten und darüber diskutierten, ob sie ihr Opfer vor der Vergewaltigung betäuben und fesseln sollten. Nur wenig wurde über das Verfahren selbst bekannt, das hinter verschlossenen Türen stattfand.

          „Gute Söhne, die ihre Familien lieben“

          Für die Staatsanwaltschaft war es klar, dass es sich um eine gemeinsame Vergewaltigung handelte, die die fünf Männer organisiert hatten. Wegen ihrer Überzahl hatte die Frau gar keine Chance, sich zu wehren. Sie sei massiv eingeschüchtert worden. Für die Anwälte der Angeklagten war es „kein sexueller Angriff, sondern Geschlechtsverkehr“. Die Täter seien vielleicht keine Vorbilder und wirkten „wie Dummköpfe, sind aber gute Söhne, die ihre Familien lieben“. Die Männer seien selbst Opfer einer öffentlichen Lynchkampagne geworden und wegen der großen Proteste schon verurteilt gewesen, bevor der Prozess überhaupt begonnen habe.

          Für den spanischen Ermittlungsrichter Baltasar Garzon warf das Verfahren ein beunruhigendes Schlaglicht auf die spanische Bevölkerung. „Wir leben weiterhin in einer hochgradigen Macho-Gesellschaft“, sagte er in einem Rundfunkinterview. Man versuche, inakzeptables Verhalten zu rechtfertigen und schrecke dabei nicht davor zurück zu untersuchen, was das Opfer tat. Auch nach Ansicht der Zeitung „El País“ war das Verfahren in Pamplona ein weiteres Beispiel für die „Macho-Kultur“, die in Spanien einfach nicht verschwinde. Die Anwälte der Angeklagten hätten mit allen Mitteln versucht, das die junge Frau zu diskreditieren; aber „nicht das Opfer muss beweisen, dass es unschuldig ist“, schrieb die Zeitung nach dem Prozess.

          Das Verfahren stand unter dem Eindruck erschreckender Zahlen über Gewalt gegen Frauen in Spanien. Im vergangenen Jahr wurden 46 Frauen von ihren Partner oder ehemaligen Lebensgefährten ermordet – gut 500 Todesopfer gibt es laut Presseberichten seit der Jahrtausendwende. Den Behörden liegen mehr 142.000 Anzeigen vor, 42.000 Frauen sind als Opfer registriert, 15.800 Männer wurden schon verurteilt.

          In Pamplona fürchtet man um den Ruf, seit die Klagen über sexuelle Übergriffe und Belästigungen während der Fiestas zunahmen. Die Stadt ließ Überwachungskameras anbringen, richtete eine Notrufnummer ein und verteilte Flugblätter, um „sexistische Übergriffe“ in dem Trubel zu verhindern, in dem traditionell viel getrunken wird. Die Stadtverwaltung empfiehlt San Fermín nun als ein „Fest für die ganze Familie“.

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