Prozess gegen Partnerbörse : Geschäfte mit alten, einsamen Herzen
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Der Liebe auf die Sprünge helfen: Auch bei Senioren gibt es für diese Dienstleistung einen Markt. Bild: dpa
Eine Partnerbörse für Senioren soll ihre Kunden abgezockt haben. Er habe nur helfen wollen, sagt der Betreiber vor Gericht. Die Anklage dagegen sagt: Rentner hätten für viel Geld lediglich willkürlich ausgewählte Adressen bekommen.
Der frühere Geschäftsführer der inzwischen insolventen Partnervermittlungsagentur „Glückswolke 7“ hatte selbst nicht nur Glück in der Liebe. Als der Richter den 47 Jahre alten Mann, der zusammen mit drei weiteren Personen vor dem Landgericht Mainz des gewerbsmäßigen bandenmäßigen Betrugs und der Erpressung angeklagt ist, nach seinen privaten Verhältnissen fragt, sagt er, er sei schon in zweiter Ehe verheiratet. Mit seiner ersten Frau habe er in den neunziger Jahren seine ersten Schritte im damals offenbar boomenden Vermittlungsgewerbe unternommen. Wie er ausgerechnet auf dieses Geschäftsfeld gekommen sei, will der Richter wissen. Schließlich war der Weg dahin ziemlich weit vom Beruf des „Softwaretrainers“, in dem der in Mainz geborene Angeklagte nach seinen eigenen Angaben zuvor tätig war. Darauf antwortet der so Gefragte: Die Partnervermittlung sei ein „sehr interessanter Bereich“, man habe es da „mit Menschen“ zu tun, diesen Menschen könne man „helfen“.
Derlei Einlassungen des Mannes müsste man zynisch nennen – wenn sich die in der Anklageschrift formulierten Vorwürfe denn als zutreffend erweisen. Demnach sollen die Angeklagten eine Art Bande gebildet haben, die sich 2009 mit dem Geschäftszweck zusammengefunden hat, alte, einsame und zuneigungsbedürftige Menschen auszunehmen. Der Herr mit der Softwaretrainervergangenheit soll die Gesellschaft mit Sitz im rheinland-pfälzischen Wonsheim (knapp 1000 Einwohner) geführt haben. Er war es auch, der nach eigener Darstellung eines Nachts den Einfall für den Namen „Glückswolke 7“ gehabt hat; „Wolke 7“, der Vorgänger, war ihm patentrechtlich streitig gemacht worden. Die weiteren Angeklagten stammen aus dem Osten Deutschlands. Ein Mann und eine Frau sollen für die Gesellschaft als „Handelsvertreter“ gearbeitet und den alten Menschen auch Hausbesuche abgestattet haben. Der vierte Angeklagte soll wiederum Angestellter der Handelsvertreterin gewesen sein.
Willkürliche Adresse weitergegeben
Im Wesentlichen wird den Angeklagten, von denen sich keiner zur Sache und nur der ehemalige Softwaretrainer zur Person äußern wollte, vorgeworfen, in der Zeit zwischen März 2009 und Februar 2013 auf folgende Weise einen Schaden von etwa 317.000 Euro verursacht zu haben: Durch Schaltung oder Beantwortung von Kontaktanzeigen sowie durch die Verwertung von alten Karteien anderer Partnervermittlungen sollen sie Daten älterer, alleinstehender Leute gesammelt haben. Mit diesen Personen sollen sie dann telefonisch oder persönlich in Kontakt getreten sein und sie zum Abschluss von Partnervermittlungsverträgen überredet haben. Die Angeklagten sowie weitere, bisher nicht dingfest zu machende Telefonisten sollen den alten Menschen vorgespiegelt haben, dass durch „Glückswolke 7“ eine individuelle Partneranalyse erstellt würde. So sollten angeblich die Erfolgsaussichten für eine Beziehungsanbahnung optimiert werden. Tatsächlich aber sollen die alten Leute bloß willkürlich ausgewählte Adressen anderer einsamer Herzen bekommen haben.
Die Senioren sollen unter Druck gesetzt worden sein, von den Angeklagten vorausgefüllte Überweisungsträger zu unterschreiben. Zum Teil sollen die Geschädigten auch direkt per EC-Karte bezahlt haben. Die jeweiligen Vertragssummen sollen zwischen 900 und 3500 Euro betragen haben. Den Angeklagten wird außerdem vorgeworfen, dass sie denjenigen, die nicht unterschreiben wollten, gedroht haben sollen. Das soll gereicht haben von der Beauftragung eines Inkassounternehmens bis hin zur Abstellung des Leitungswassers. Nach Vertragsabschluss soll den alten Leuten vorgetäuscht worden sein, dass sie zur Zahlung weiterer hoher Beträge verpflichtet seien. Für den Fall der Verweigerung sollen die Angeklagten ihnen mit einer Strafanzeige, Kontopfändung oder mit der „Kündigung“ ihrer Rente gedroht haben. Die Angeklagten sollen vorgetäuscht haben, dass die Geschädigten diese Verpflichtung nur verhindern könnten, wenn sie einen zweiten Vertrag abschließen würden. War dies geschehen, soll teils auch noch ein dritter Vertrag ins Spiel gekommen sein.
Nicht alles Zeugen leben noch
Nachdem der Staatsanwalt dies alles vorgetragen hat, meldet sich der Anwalt eines der Angeklagten und beantragt die Aussetzung des Verfahrens. Begründung: Der Paragraf 656 („Heiratsvermittlung“) des Bürgerlichen Gesetzbuches, auf den sich die Anklage unter anderem stützt, sei verfassungswidrig und erst einmal vom Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Die Vorschrift, nach der die Partnerschaftsvermittlung keine rechtsverbindlichen und durchsetzbaren Ansprüche begründe (schon gar nicht mit Inkassofirmen etc.), stamme aus einer Zeit, in der die Vermittlungsdienste gesellschaftlich noch als unsittlich angesehen worden seien. Das habe sich längst geändert.
Als der Richter die Entscheidung über den Antrag zurückstellt, äußert einer der anderen Verteidiger: „Wir hatten ja mal die Hoffnung, dass man sich – ganz unjuristisch gesprochen – mal trifft.“ Auf dieses Angebot zur Absprache erwidert der Richter, man könne sich gerne mal treffen, erst brauche er aber noch Informationen. Die sollen die Zeugen liefern. Nicht alle angefragten werden nach Mainz können kommen. Manche sind tot oder nicht mehr vernehmungsfähig.