Prozess um Polizistenmord : „Eigenschaften, die man manchmal bei Psychopathen findet“
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Der Hauptangeklagte Andreas S., rechts, neben seinem Anwalt. Bild: dpa
„Gewisse Gemütskälte“ und „Selbstüberschätzung“: Am Landgericht Kaiserslautern stellt ein Psychiater sein Gutachten über Andreas S. vor. Eine Sicherungsverwahrung empfiehlt er im Fall einer Verurteilung jedoch nicht.
Was im Leben eines Menschen führt dazu, dass er sich eines Tages wegen eines Verbrechens vor Gericht verantworten muss? Im Landgericht Kaiserslautern haben zwei psychiatrische Sachverständige am Montag versucht, sich dieser Frage im Fall der Angeklagten Andreas S. und Florian V. zu nähern. S. wird vorgeworfen, am 31. Januar im Kreis Kusel zwei Polizisten erschossen zu haben, um Jagdwilderei zu verdecken, V. soll ihm bei der Jagd assistiert und später beim Verwischen der Spuren geholfen haben.
Das Leben von Andreas S. verlief laut dem Gutachter zunächst ohne Auffälligkeiten. Der Neununddreißigjährige wuchs demnach in unauffälligen Familienverhältnissen auf. Sein Vater, der den Sohn auch zur Jagd mitnahm, starb zwar, als S. noch ein Jugendlicher war. Dessen Bekannte hätten sich jedoch des Jungen angenommen. Zeugen beschrieben ihn als liebevollen Mann und Vater. Andreas S. machte seinen Bäckermeister, übernahm 2016 den elterlichen Betrieb und baute ihn aus. In seiner Freizeit ging er seiner Jagdleidenschaft nach.
Hauptverdächtiger gilt als voll schuldfähig
Der Sachverständige attestiert S. allerdings „bestimmte Eigenschaften, die man manchmal bei Psychopathen findet“. Auffällig seien etwa die Externalisierung von Problemen, eine „gewisse Gemütskälte“ sowie Selbstüberschätzung. Sie sei vermutlich auch dafür verantwortlich, dass S. mit seinem Betrieb 2020 Insolvenz anmelden musste. Von September 2021 an war der Erlös aus dem Verkauf des gewilderten Fleischs dann das Haupteinkommen der Familie. Der Gutachter hält Andreas S. für voll schuldfähig, die Tat im Fall einer Verurteilung allerdings für ein „Einzelgeschehen“. Für eine Sicherungsverwahrung spricht er sich deshalb nicht aus.
Da S. eine Befragung ablehnte, konnte er sich nur auf die Akten und die Hauptverhandlung stützen – S. habe diese genutzt, „um sich auch als Person deutlich werden zu lassen“. Der Hauptangeklagte hatte sich vom dritten Prozesstag an regelmäßig eingelassen, V. die Schüsse auf die Polizistin angelastet und sich selbst auf eine Art Notwehrsituation berufen.
Der 33 Jahre alte V. hatte indes nach umfangreichen Aussagen bei der Polizei vor Gericht meist geschwiegen. In der Vergangenheit war der ausgebildete Konstruktionsmechaniker immer wieder länger arbeitslos gewesen, obwohl der Sachverständige von zahlreichen Stellenausschreibungen berichtet. Neben Problemen mit den Zähnen machte ihn wohl ein fehlender Führerschein für Zeitarbeitsfirmen unattraktiv. Dass V., der in der Vergangenheit unter anderem wegen Betrugs verurteilt worden war, „unter den Gestaltungsmöglichkeiten seines Lebens“ blieb und am Ende für Andreas S. erlegtes Wild ins Auto trug, könne regelmäßigem Konsum von Cannabis und Amphetaminen geschuldet sein. Zum Drogenmissbrauch könne die problematische Jugend des Angeklagten beigetragen haben, der wohl wenig Unterstützung von seiner Familie erfuhr – dies sei aber „nur Spekulation“, da auch V. einer Befragung durch den Gutachter nicht eingewilligt hatte.
Obwohl V. auch während der Tat mutmaßlich unter Drogeneinfluss stand, attestiert der Gutachter auch ihm eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit. Es sei davon auszugehen, dass V. die Drogen in einer Menge konsumierte, die seine Leistungsfähigkeit in der arbeitsreichen Wildereinacht nicht einschränkte. Die Voraussetzungen für einen Maßregelvollzug hält er für nicht gegeben. Geht es nach dem Oberstaatsanwalt, kann V. wohl mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe rechnen. Er beantragte, das Verfahren wegen versuchter Strafvereitelung gegen V. einzustellen. Das Urteil soll am 30. November fallen.