Polizei will Konten einfrieren : Orden von Mutter Teresa unter Beobachtung
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In Begleitung von kleinen Mädchen verlässt Papst Franziskus 2017 ein Heim für Waisenkinder des Mutter-Teresa-Ordens in Bangladesch. Bild: dpa
Wegen des Verdachts auf Kinderhandel sind Mitglieder des Ordens von Mutter Teresa in Indien verhaftet worden. Kinder wurden in eine staatliche Einrichtung gebracht. Christen sprechen von Schikane.
Indien hat die Waisenhäuser des Ordens von Mutter Teresa unter Beobachtung gestellt. Vergangene Woche waren eine Ordensschwester und eine Angestellte wegen des Verdachts auf Kinderhandel verhaftet worden. Aus einem Heim des Ordens der „Missionare der Nächstenliebe“ seien inzwischen 22 Kinder in eine staatliche Einrichtung gebracht worden. Die Polizei hat die Regierung aufgefordert, die Konten des Ordens von Mutter Teresa einzufrieren.
Der Ordensschwester und der Laienmitarbeiterin wird vorgeworfen, versucht zu haben, ein Waisenkind aus einem Heim für unverheiratete Mütter heraus zu verkaufen. Auf die Vermittlung der Ordensschwester und der Mitarbeiterin hin habe ein kinderloses Paar einer Mutter im Heim des Ordens 1760 Dollar für ihr Baby gezahlt. Bei einer Inspektion der staatlichen Kinderwohlfahrts-Kommission in dem Heim in Ranchi habe das Kind gefehlt. Später habe die Mutter es zurückbekommen, das Geld aber nicht erstattet.
Theodore Mascarenhas, Weihbischof in Ranchi, der Hauptstadt des an Bangladesch grenzenden indischen Bundesstaates Jharkhand, erklärte gegenüber dem indischen Fernsehen, die Nonne sei von der Polizei gezwungen worden, ein Schuldbekenntnis zu unterzeichnen. „Sie behandeln den gesamten Orden wie eine kriminelle Vereinigung.“ Die „Missionare der Nächstenliebe“ hatten ihr Engagement im Adoptionsgeschäft schon 2015 offiziell beendet. Der Anlass war ein Gesetz, dass auch Einzelpersonen und möglicherweise homosexuellen Paaren eine Adoption ermöglichen soll. Mary Prema Pierick, Generaloberin der „Missionare der Nächstenliebe“ in Kalkutta, zeigte sich schockiert: Kinderhandel stehe „vollkommen im Gegensatz zu unseren moralischen Überzeugungen. Wir werden alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen ergreifen, damit Derartiges nie wieder passiert“, sagte die Oberin.
Christliche Minderheiten sehen eine Kampagne
Christen in Indien gab der Fall Anlass, vor weiteren staatlichen Einschränkungen auf dem Subkontinent zu warnen. „Die Regierung zielt darauf ab, uns und unsere Einrichtungen zu diffamieren“, sagte Telesphore Bilung ebenfalls Weihbischof in Ranchi. „Damit will die Regierung beweisen, dass Christen und ihre Institutionen an illegalen Handlungen beteiligt sind.“ Die Regierung in Indien wird seit gut vier Jahren von der hindunationalistischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) unter Ministerpräsident Narendra Modi geführt, die derzeit in zahlreichen Regionalwahlen und im nächsten Jahr landesweit zur Wahl antreten muss. Christliche Minderheiten sehen eine Kampagne, die sie – ähnlich wie auch die indischen Muslime – diffamieren solle.
Die Hindunationalisten fühlen sich unter anderem von einer Erklärung von Filipe Neri Ferrao provoziert, dem Erzbischof von Goa und Daman. Er hatte Ende Mai davor gewarnt, dass in Indien „die Menschenrechte und die Demokratie in Gefahr scheinen“. Minderheiten fürchteten um ihre Sicherheit. Die regierenden Hindunationalisten empfanden dies als Breitseite. Christen machen nur knapp zwei Prozent der überwiegend hinduistischen Bevölkerung Indiens aus. Im Bundesstaat Jharkhand, wo viele Menschen noch in Stammesgemeinschaften leben, haben die Christen indes weiter Zulauf; ihr Anteil liegt hier mehr als doppelt so hoch wie der landesweite Durchschnitt. Die BJP aber stellt auch hier die Regierung.
Das Tauziehen um den Orden von Mutter Teresa ist damit zu einem Politikum geworden: Auch die Chefministerin des Bundeslandes Westbangalen, Mamata Banerjee, sprach auf Twitter von einem „schändlichen Versuch, (den Orden) zu beschmutzen“. In der westbengalischen Hauptstadt Kalkutta hatte Mutter Teresa ihren Orden 1950 gegründet, um den Ärmsten der Armen zu helfen. 1997 verstorben, sprach Papst Franziskus sie 2016 heilig. Mamata Banerjee nahm nun kein Blatt vor den Mund: „BJP will keinen auslassen“, erklärte sie.
Allerdings hat Indien in der Tat ein riesiges Problem mit dem Verschwinden von Kindern. 14.671 Kinder sind zuletzt innerhalb eines Jahres verschwunden – alleine in Westbengalen. Auf dem ganzen Subkontinent soll die Zahl im Jahr 2015 bei fast 63.000 gelegen haben, schätzt die Hilfsorganisation Child Rights and You aufgrund von Daten des Innenministeriums – damit verschwinden Tag für Tag 173 Kinder in Indien. Die Polizei schwärmt zweimal im Jahr bei der Operation „Smile“ aus, um möglichst viele zu finden – ein Kampf gegen Windmühlen.
Viele der Kinder befreien die Retter in Ziegeleien, aber auch in Fabriken. Dort bekleben die Kinder mit ihren kleinen Fingern und scharfen Augen Billigarmbänder mit Glitzersteinen. Auch in privaten Haushalten werden die Fahnder fündig. Dort werden Kinder als Helfer oder Sexsklaven ausgebeutet. Eine Rückkehr in ihre Heimat, aus der sie verschleppt wurden, ist für die Kinder auf eigene Faust unmöglich. In einer solchen Lage galten die Heime der „Missionare der Nächstenliebe“ immer als sicherer Hort. Gerade weil sich die Nonnen inzwischen auch aus dem blühenden, aber sehr undurchsichtigen Adoptionsgeschäft herausgezogen haben.