Motivsuche in Ansbach : Aus Hass auf die Menschheit und die Schule
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Brandsätze, eine Axt, mehrere Messer: Der 18 Jahre alte Amokläufer von Ansbach hat seine Tat seit April genau geplant, so die Ermittler - er habe sich ungerecht behandelt und ausgegrenzt gefühlt. Der Täter konnte noch nicht befragt werden.
Ein Bild, das den Atem stocken lässt, haben die Ermittler gezeichnet, die den Amoklauf an dem Ansbacher Gymnasium „Carolinum“ untersuchen. Nach ihren Erkenntnissen hat der 18 Jahre alte Täter seit April das Verbrechen genau geplant, mit dem Ziel, möglichst viele Schüler und Lehrer zu töten sowie die Schule niederzubrennen. Das Schleudern der Brandsätze in Klassenzimmer, das Lauern auf die vor dem Feuer fliehenden Schüler, die wuchtigen Axtschläge auf die Opfer - alles hatte er vor der Tat auf seinem Laptop in Schreiben an eine fiktive Partnerin detailliert skizziert.
Den Ermittlern ist es gelungen, diese Schreiben, die gelöscht waren, zu rekonstruieren. Es sind im Ausdruck 80 bis 90 Seiten im Format DIN A4. Die Aufzeichnungen begannen im April mit ersten Andeutungen eines geplanten Amoklaufs. Später ist auch von Recherchen zu Amoktaten in den Vereinigten Staaten und Deutschland - unter anderen in Erfurt - die Rede. In den darauf folgenden Monaten wurde der Plan mehr und mehr konkretisiert, von den Tatwaffen - Brandsätzen, einer Axt, mehreren Messern - bis zum Tatort. Im Juni legte der Täter fest, dass der dritte Stock des „Carolinums“ der beste Tatort sei, weil sich dort besonders viele Klassenzimmer befänden. Dort schleuderte er am vergangenen Donnerstag Molotowcocktails in zwei Klassenzimmer und verletzte eine Schülerin mit einem Axthieb schwer. Eine weitere Schülerin erlitt schwere Brandverletzungen. Der Zustand beider Opfer hat sich mittlerweile stabilisiert.
Hass auf die Menschheit, Sehnsucht nach einer Freundin
Als Motiv sind in den Schreiben - einer Art langem Monolog - Hass auf die Menschheit und die Institution Schule angegeben. Am Tattag trug der Täter ein eigens für die Tat angeschafftes T-Shirt, auf dem „Made in School“ stand. In den Schreiben auf dem Laptop schilderte er, dass er sich ungerecht behandelt, ausgegrenzt und nicht anerkannt fühle. Die Sehnsucht nach einer Freundin sei unerfüllt geblieben. Er beklagte sich in den Schreiben darüber, dass er in der sechsten Klasse im Bus verprügelt worden sei, ohne dass ihm jemand geholfen habe.
Auch Ängste vor einer schweren Krankheit und dem Abitur, das er im nächsten Jahr am „Carolinum“ ablegen sollte, kamen in den Aufzeichnungen zur Sprache. Nach den bisherigen Ermittlungen war der Täter allerdings körperlich nicht krank und musste nach seinen schulischen Leistungen auch nicht fürchten, dass er beim Abitur scheitern könnte. Zu der psychotherapeutischen Behandlung, in der er sich befand, machten die Ermittler am Montag keine Angaben.
In den Schreiben wird deutlich, dass er nicht mehr leben wollte und damit rechnete, dass er bei dem Amoklauf von der Polizei getötet würde. Am Tattag hatte er auch Vorbereitungen für eine Selbsttötung getroffen; dazu kam es nicht, da er von der Polizei gestellt wurde. Als er die Polizisten mit einem Messer bedrohte, feuerten sie auf ihn und verletzten ihn mit drei Schüssen. Der Täter wachte am Montag aus dem künstlichen Koma auf, in das ihn die Ärzte nach seinen Schussverletzungen versetzt hatten. Er war zunächst nicht ansprechbar.