Nach Messerattacke im Zug : Verdächtiger war Stunden vor Tat „unauffällig“
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Sabine Sütterlin-Waack (r.), Innenministerin Schleswig-Holsteins und Kerstin von der Decken, Justizministerin Schleswig-Holsteins im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtages am 26.01.2023 Bild: dpa
Einen Tag nach der tödlichen Messerattacke mit zwei Toten in einem Zug bei Brokstedt sind noch viele Fragen offen. Der Tatverdächtige war erst seit Kurzem wieder auf freiem Fuß. Ausreisepflichtig war der Mann nach ersten Erkenntnissen wohl nicht.
Bei einer Pressekonferenz hat Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) gemeinsam mit Vertretern der Polizei und Justiz von den jüngsten Entwicklungen nach einer Messerattacke in einem Regionalzug mit zwei Toten berichtet. In Gedanken sei sie bei den Opfern und deren Angehörigen, sagte Sütterlin-Waack zu Beginn. Es habe sich etwas ganz Schreckliches ereignet. Sie bitte darum, Vermutungen und Spekulationen keinen Raum zu geben.
Aufgrund des sehr dynamischen Tagesverlaufs sei weiterhin vieles unklar. Sie wolle „ausdrücklich sagen, dass die Taten noch zu frisch sind und die Erkenntnisse nicht ausreichen, um bereits politische Schlussfolgerungen aufzustellen und Forderungen zu stellen“. Sütterlin-Waack versicherte, sie werde „alles Nötige“ tun, um die Tat aufzuklären.
Den Angaben zufolge sind eine Siebzehnjährige und ein Neunzehnjähriger aus der Region getötet worden. „Die beiden kannten sich“, sagte Sütterlin-Waack. Die Angehörigen seien informiert, aus Rücksicht auf diese könne sie nicht mehr Details bestätigen. Zwei weitere Menschen seien lebensgefährlich verletzt, drei weitere schwer. Derzeit seien noch drei Personen im Krankenhaus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe sich für den Nachmittag in Brokstedt angekündigt.
Wohl noch im Zug überwältigt
Der Mann sei bei der Festnahme leicht verletzt gewesen, sagte Sütterlin-Waack. Er sei behandelt worden und befinde sich derzeit in Polizeigewahrsam. Ergebnisse einer Vernehmung gebe es noch nicht, über Motive könne man noch nichts sagen. Am Donnerstagnachmittag wurde gegen ihn Haftbefehl erlassen – wegen zweifachen heimtückischen Mordes und vierfachen versuchten Totschlags. Das teilte ein Sprecher der für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft in Itzehoe mit. Demnach entsprach der zuständige Haftrichter am Amtsgericht dem von der Behörde beantragten Haftbefehl gegen den Mann.
Nach der Vernehmung von bislang 24 Zeugen gehe man davon aus, dass der Angreifer im Zug überwältigt worden sei. Woher seine Verletzungen stammten, sei noch nicht geklärt worden. „Der Zug wurde dann gesichert. In vier Waggons wurden Blutspuren gesichert.“
Der Verdächtige, Ibrahim A., „ist ein 33 Jahre alter staatenloser Palästinenser“. Aus welchem Land Ibrahim A. 2014 einreiste, konnte am Donnerstag nicht beantwortet werden. Von Juli bis November 2021 sei er jedoch in Kiel gemeldet gewesen, weshalb er bei der Ausländerbehörde in Kiel geführt werde. In Schleswig-Holstein gebe es zu A. keine polizeiliche Kriminalakte, aber zwei Einsatzberichte: „einen wegen einer Streitigkeit, einen wegen Ladendiebstahls“. Ibrahim A. sei 2014 eingereist und seit 2015 in Nordrhein-Westfalen und Hamburg „mehrfach straffällig geworden, unter anderem wegen Gewaltdelikten“. Er sei zuletzt am 19. Januar aus einer Haft im Zusammenhang mit einer gefährlichen Körperverletzung in Billwerder entlassen worden.
Es habe sich um den ersten Fall einer Inhaftierung gehandelt, die verhängte Freiheitsstrafe sei binnen der Untersuchungshaft abgelaufen. Ibrahim galt nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht als Intensivtäter. Der 33-Jährige habe drei Vorstrafen gehabt, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt von Itzehoe, Carsten Ohlrogge, am Donnerstag in Kiel.