Korruptionsaffäre in Justiz : Ermitteln gegen jemanden „aus dem eigenen Nest“
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Muss sich rechtfertigen: Albrecht Schreiber, Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Bild: Wolfgang Eilmes
Die Korruptionsaffäre in der hessischen Justiz bringt den Chef der Staatsanwaltschaft in Verlegenheit: Im Rechtsausschuss wird der Staatsanwaltschaft Frankfurt mangelndes Bewusstsein für die Besonderheit des Falls vorgeworfen.
Die Korruptionsaffäre in der hessischen Generalstaatsanwaltschaft stößt nicht nur in der Opposition des Landtags auf Kritik, sondern auch in den Reihen der CDU. So monierte der Abgeordnete Michael Müller (Lahn-Dill) am Montag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses ein mangelndes Bewusstsein der Staatsanwaltschaft Frankfurt für die Besonderheit des Falls. Sie ermittle gegen jemanden „aus dem eigenen Nest“, so der Unionspolitiker. „Da muss man doch in der Darstellung besonders gründlich sein.“ Den darin enthaltenen Vorwurf wies der Leiter der Staatsanwaltschaft, Albrecht Schreiber, in der Sitzung „in aller Deutlichkeit“ zurück.

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung in Wiesbaden.
Dem Hauptverdächtigen in der Affäre, einem dreiundfünfzigjährigen Oberstaatsanwalt, wird vorgeworfen, von zwei Unternehmen jahrelang Schmiergeld dafür genommen zu haben, dass er sie bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugte. Vor zehn Tagen wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft dies beantragt hatte. Dass seine alten Kollegen für seine Freilassung gesorgt hätten, habe natürlich ein „Geschmäckle“, stellte der Abgeordnete Ulrich Wilken (Linke) fest. Auf diesem Umstand basierten auch zwei Berichtsanträge der Fraktionen von SPD und FDP, die Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) beantworten musste. Dabei berief sie sich auf Auskünfte der Staatsanwaltschaft.
Weitere Auflagen
Dass die Strafverfolger beim Ermittlungsrichter Haftverschonung beantragten, sei „in keiner Weise ungewöhnlich“, hieß es. Die in dem Berichtsantrag der SPD enthaltene Frage, wie oft die Staatsanwaltschaft in den Jahren entsprechende Anträge gestellt habe, vermochte Kühne-Hörmann allerdings nicht zu beantworten. Daraufhin wandte Müller sich mit der Frage an Schreiber, wie oft er persönlich einen solchen Antrag gestellt habe. Schreiber antwortete: „Ich will über meine Erinnerungen nicht spekulieren.“ Nach seinen Angaben ließ die Ermittlungsrichterin in diesem Fall erkennen, dass sie die Entlassung aus der Untersuchungshaft nur ungern angeordnet habe.
Denn aus ihrer Sicht lasse sich die im Gegenzug erteilte Auflage eines Kontaktverbotes nicht überwachen. Angesichts einer früheren einschlägigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes habe die Richterin sich aber „aus Rechtsgründen“ gehalten gesehen, „sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht zu verschließen“.

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Jetzt F+ kostenlos sichern„Ein Richter ist doch nur an das Recht gebunden“, sagte dazu der Abgeordnete Christian Heinz (CDU). Schreiber argumentierte, dass ein Kontaktverbot zu den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Auflagen zähle, die anstelle der Untersuchungshaft in Frage kämen. Die Staatsanwaltschaft wisse durchaus, wie sich die Einhaltung des Kontaktverbotes überwachen lasse. Im Übrigen seien noch andere Auflagen verhängt worden, die er aber nicht näher erläutern wolle.
Der Beschuldigte wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem er sich „sehr ausführlich zu den Vorwürfen geäußert hatte“, wie es Schreiber am Montag formulierte. Ein umfassendes Geständnis sei darin allerdings noch nicht zu sehen. „Unser Verdacht geht weiter als das, was der Beschuldigte gesagt hat.“ Die Frage, ob der Beschuldigte seine Position als Leiter der „Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht“ ausgenutzt habe, um Druck auf Ärzte zu erzeugen und so die Zahlung hoher Geldauflagen zu erzwingen, blieb vorerst unbeantwortet. Man gehe allen Hinweisen nach, versicherte Schreiber.
Wie berichtet waren die verdeckten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihren Kollegen durch eine Anzeige ausgelöst worden, die dessen frühere Lebensgefährtin im vergangenen Jahr erstattet hatte. Aus Schreibers Auskünften vom Montag ergibt sich, dass der Beschuldigte von dieser Anzeige viel früher erfuhr, als dies bisher öffentlich bekannt war. Er lebte monatelang in der Furcht, dass seine Kollegen gegen ihn ermitteln könnten.