
Grimm-Prozeß : Elf Jahre Haft für Totschlag an Millionärssohn
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Jens A. vor dem Frankfurter Landgericht Bild: dpa/dpaweb
Das Landgericht Frankfurt hat im Prozeß um den Tod des 25 Jahre alten Andreas Sascha Grimm den 23 Jahre alten Täter wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Jens A. erschoß den Millionärssohn 2004 in seiner Frankfurter Wohnung.
Zu elf Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags hat das Frankfurter Landgericht am Mittwoch den 23 Jahre alten Angeklagten Jens A. verurteilt, der am 15. Oktober 2004 in seiner Wohnung den Miltenberger Jungunternehmer Andreas Grimm erschossen hatte. Die Schwurgerichtskammer traf ihre Entscheidung nach rund fünf Monaten einer umfassenden Beweisaufnahme, in der dennoch viele Fragen nicht beantwortet werden konnten. Als für die Angehörigen des Getöteten schmerzlichste Tatsache blieb offen, was mit Andreas Grimms Leichnam nach einem von dem Angeklagten eingestandenen Pistolenschuß in den Kopf geschah. Der Kammervorsitzende Klaus Drescher appellierte in der Urteilsbegründung an Jens A., sein Wissen darüber doch noch preiszugeben.
Das Gericht hat das Verbrechen, das vermutlich aus Eifersucht begangen wurde, aus denselben Gründen wie Staatsanwaltschaft und Verteidigung rechtlich als Totschlag gewertet. Zu einem Schuldspruch wegen Mordes, wie ihn die Nebenklägerin für die Eltern des Toten unter Hinweis auf zahlreiche von dem Angeklagten vorgetragene Unwahrheiten gefordert hatte, fehlen die für ein entsprechendes Urteil zwingend notwendigen Feststellungen über Mordmerkmale. Sie waren bei Prozeßbeginn im September 2005 in der Anklageschrift noch genannt worden. Doch sind nach den Ausführungen der Urteilsbegründung weder Habgier noch Heimtücke, noch sonst niedrige Beweggründe mit der für eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe notwendigen Sicherheit erwiesen. Zwar hat der Angeklagte eine wertvolle Armbanduhr und das Auto des Getöteten an sich genommen und versucht, den Wagen zu verkaufen, aber dies kann laut Urteil auch die Reaktion auf die Tat und nicht ihre habgierige Voraussetzung gewesen sein.
Zufällig greifbare Pistole
Heimtücke konnte das Gericht ebensowenig feststellen wie niedrige Beweggründe, weil nicht aufgeklärt werden konnte, was sich am Tattag zwischen Täter und Opfer wirklich ereignet hat. Die Kammer war auf die Darstellung des Angeklagten angewiesen, der erklärt hatte, in wachsender Wut während eines Streites über seine 15 Jahre ältere Freundin, die ihn mit Grimm betrogen habe, eine zufällig greifbare Pistole genommen und einen tödlichen Schuß abgegeben zu haben. Die Waffe habe sich in einer offenen Handtasche befunden, die seine bei ihm wohnende Freundin an diesem Tag nicht mitgenommen habe.
Die Darstellung des Jens A. brach an dieser Stelle des Geschehens ab. Er war weder im Ermittlungsverfahren noch im Prozeß dazu zu bewegen, weiter zu berichten. Das Gericht nimmt an, daß unbekannt gebliebene weitere Personen den Toten beiseite geschafft haben. Ein Verdacht gegen die Freundin des Angeklagten, eine unter eher dubiosen Umständen für eine arabische Immobilienfirma auf Provisionsbasis tätige 38 Jahre alte Frau, hat sich in einem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren mit monatelanger Untersuchungshaft nicht bestätigt. Ob die Staatanwaltschaft nach dem Ende des Verfahrens gegen Jens A. die Ermittlungen gegen die Frau neu aufnimmt, ist zweifelhaft.
„Hollywood-Niveau ohne überzeugendes Drehbuch“
Der lange Prozeß bot Beteiligten und Zuhörern Einblicke in eine oberflächliche und vergnügungssüchtige Gesellschaft junger Menschen, die unerfüllte Träume oder die Anforderungen des beruflichen Alltags in Diskotheken bei Alkohol und Drogen kompensieren. Zeugen aus diesem Milieu fielen durch beobachtungsleere Redseligkeit und geringes Einfühlungsvermögen auf. Der Kammervorsitzende brachte seinen Eindruck auf die Formel „Hollywood-Niveau ohne überzeugendes Drehbuch“. Über den Angeklagten heißt es im Urteil, er sei zwar für seine Tat im strafrechtlichen Sinn uneingeschränkt verantwortlich, aber eine Persönlichkeit mit erheblichen Reifedefiziten und an Größenwahn grenzenden Charaktereigenschaften. In der Hauptverhandlung habe der Angeklagte den Eindruck vermittelt, „daß er es an Realitätsbezug fehlen läßt“, sagte der Richter. Anlaß für diese Einschätzung gaben unter anderem ein angeblicher Plan des schon an der Hauptschule gescheiterten Angeklagten, eine „Universität für Kosmetologie“ gründen zu wollen und seine Behauptung, er habe schon als Vierzehnjähriger eine eigene Internetfirma besessen.